Lieber erstmal nicht – warum eine junge Altenpflegerin keine Impfung will

Nach der Debatte über den holprigen Impfstart hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die nächste Diskussion eröffnet. Er denkt laut über eine mögliche Impfpflicht für gewisse Berufsgruppen, besonders Pflegekräfte, nach. Unterstützt wird er vom Weltärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery:  „Wer Umgang mit vulnerablen Gruppen hat, muss immunisiert sein.“ 

Sendung im Deutschlandfunkkultur Studio 9 & Länderreport

Es knackt in der Leitung. Wieder und wieder. Eine kurze Chatnachricht, kurzes Warten, dann ein “Hallo”. 

„Ja, also heute bin ich um sechs hergekommen, um zu testen, sozusagen, ja.”

Kurz den Laptop öffnen, Skype anschalten, Bürotür zu – und tief durchatmen.

Seit Monaten kommuniziert die 24-Jährige Altenpflegerin so mit der Außenwelt. Weniger mit Medien, sondern mit anderen, ebenfalls zur Caritas gehörenden Seniorenheimen. Da wird im Ernstfall durchgewechselt, wenn Personal fehlt, schnell umorganisiert, erzählt sie. 

Jetzt aber mit Medienvertretern zu sprechen, wenn alle Welt von Impfskeptikern, Impfgegnern, Impfpflicht redet: Da ist sie vorsichtig, zögerlich und beginnt mit einer Frage – was die eigene Impfbereitschaft betrifft.

“Möchte ich das und kann ich das gesundheitlich auch stemmen, so eine Impfung, wo man noch nicht wirklich weiß, wie sie ist?”

Sie stellt sich die Frage selbst, die Antwort für sich kennt sie noch nicht. 

Ihr Arbeitsplatz gleicht mittlerweile einer Festung. Eintritt nur mit Test und Voranmeldung. 100 Mitarbeiter im Dreischichtsystem betreuen130 Bewohner zwischen 80 und 100 Jahren. 

Die Impfungen haben jetzt begonnen, bei den Patienten und bei den Mitarbeitern. Gemischte Gefühle.

“Also, bei mir ist es halt so, ich habe halt… mein Bauchgefühl sagt mir einfach, du sollst das nicht machen und ich fühle mich auch nicht bereit dazu zu sagen, ja ich möchte es machen.”

Die 24jährige Altenpflegerin, die Ihren Namen nicht nennen möchte, überlegt. Ihr fällt es nicht leicht, ihr Bauchgefühl zu beschreiben. 
Einerseits könne sie nachvollziehen, dass sich Kollegen impfen lassen wollen. Andererseits fehle es ihr an Aufklärung. Sie selbst habe versucht die Wirkung des neuartigen mRNA-Serums zu verstehen. Vergeblich: 

“Weil es einfach… Es gibt zwar Informationen, aber für mich ist das einfach noch nicht ausreichend die Information über die Impfstoffe. Weil man nicht weiß: allergische Reaktionen, welche Langzeitfolgen wird es vielleicht geben durch das Impfen und man hört natürlich auch die Negativ-Schlagzeilen. Das ist, was mich so abschreckt davon.”

Dass sie als Pflegekraft mit medizinischen Kenntnissen so skeptisch ist, ist ihr sichtlich unangenehm. Sie macht die Arbeit gern. Mit ihren 24 Jahren kennt sie schon einige Senioren- und Pflegeheime rund um München, und würde nie kündigen. Dass ihr Arbeitgeber ihre Entscheidung, sich vorerst nicht impfen zu lassen zu wollen, akzeptiert hat, ist für sie eine große Erleichterung:

Also, gleich am Anfang wurde ich gefragt, ob ich mich impfen lasse. Da habe ich gesagt, das möchte ich erstmal nicht und habe klar thematisiert, dass ich mich einfach noch nicht bereit fühle und es mir alles einfach zu schnell geht. 

Natürlich will sie die Informationsveranstaltungen der Impfkampagne besuchen. Dass der bayerische Ministerpräsident bei den Pflegekräften aber Druck aufbaut – damit gehe er zu weit: 

“Ich kann ihn natürlich auch verstehen, weil die Pflegekräfte sind ein großer Teil davon, die einfach auch sich anstecken können im Gesundheitswesen, aber dennoch bin ich gegen eine Impfpflicht, denn ich finde,  jeder Mensch muss das selber entscheiden, ob er es machen will oder nicht. Aber ich kann beide Seiten verstehen. Also die Seite, die das nicht will, aber auch Herrn Söder, der sagt, da soll eine Impfpflicht eventuell kommen.”

Sie atmet tief durch. Viele im Kollegium sind gespalten, sie ist nicht die einzige, die erstmal abwartet. Sie möchte ja irgendwann Kinder bekommen, beeinflusst eine Impfung die Fruchtbarkeit? 

Gibt es denn irgendein Argument, dass sie es sich noch einmal anders überlegt und zustimmt?

“Mhh, ja schwierig zu sagen, mhh, also ich glaube, was mich überzeugen würde, wenn die Impfung jetzt schon länger…also, jetzt ist sie ja erst seit paar Monaten, paar Wochen ja eigentlich erst aktiv, also dass man damit anfängt und so, wenn es das schon länger gäbe, diese Impfung, wo man sagt, okay, man sieht jetzt den Zeitraum vom Impfen, gab es Komplikationen, sind die genesen, wenn man einfach einen längeren Zeitraum hätte, wo man nachschauen könnte, wie die Impfungen waren… das ist so… ja.”

Die junge Frau mit den langen braunen Haaren schüttelt den Kopf. Schwierig, alles schwierig. Sie ist hin- und hergerissen. 

“Natürlich, wenn man im Gesundheitswesen arbeitet, muss man immer damit rechnen, dass man es vielleicht kriegen kann, natürlich habe ich im Kopf, dass es auch mich treffen kann und dann kann ich es eh nicht mehr ändern. Natürlich kann ich mich mit der Impfung schützen, jaaa, aber…schwierig, also ich finde halt, ja, schwieriges Thema generell, ja.”