Braucht Bayern eine zweite Technische Universität in Nürnberg?

Seit dem 1. Januar 2021 gibt es eine neue Technische Universität in Deutschland.

Neugründungen von Universitäten sind in Deutschland nicht jeden Tag. Anfang der siebziger Jahre kam als letztes eine der jüngsten Universitäten hinzu, die Bremer Uni, ansonsten haben Deutschlands ehrwürdige Bildungshäuser teilweise fast 600 Jahre auf dem Buckel. In Bayern will man das ändern. 2017 wurde der Beschluss gefasst, Mitte Dezember gab auch das bayerische Parlament seine Zustimmung zur neuen TUN.

1,2 Milliarden Euro soll die neue Bildungsinstitution kosten.

Bericht im DLF Campus & Karriere 5. Januar 2021

Noch stehen keine Institutsgebäude, keine Mensa, keine Bibliothek. Das geplante Campusgelände im Süden Nürnbergs ist zum offiziellen Start von Bayerns neuer Technischer Universität TUN eine Brachfläche. Ein Sinnbild für Bayerns größtes Hoffnungsprojekt im Bildungsbereich: Hier soll von Grund auf neu gebaut werden.

Genau das sei die einmalige Chance, schwärmt Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler über das Jahrhundertprojekt:

Also zum einen braucht Nürnberg so eine Universität. Eine Stadt mit 500 000 Einwohnern ist deutschlandweit wohl einmalig, dass sie keine eigene Universität hätte. Noch wichtiger ist der wissenschaftspolitische Effekt: Denn wir können hier viele Dinge neu einüben, völlig neu grundlegen, die wir uns auch für viele Bereiche der Hochschullandschaft erwarten.

Angelsächsisches Modell

Das Konzept, seit 2017 von einer mehrköpfigen Kommission erstellt, lehnt sich strukturell, inhaltlich wie auch administrativ an dem angelsächsischen Modell an: Eigenständige Departements statt Fakultäten, bis zu 40 Professuren z.T als ausschließliche Forschungsprofessuren. Der Schwerpunkt soll auf sieben interdisziplinären Bereichen der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer und Ingenieurwissenschaften liegen.

Markus Zanner, frisch ernannter Kanzler der neuen Technischen Universität Nürnberg sieht den geplanten Kreativcampus als große Herausforderung. Er wechselt von der Uni Bayreuth nach Nürnberg. Als früherer Mitarbeiter der Technischen Uni München ist er bestens mit dem bayerischen Hochschulsystem vertraut:

Die TU Nürnberg hat sich ja als Ziel gesetzt, sich ja komplett interdisziplinär von Anfang an zu formieren, also keine klassischen Fakultäten, keine klasssischen Fachbereiche. Was natürlich auch das Besondere sein soll ist, dass diese Studiengänge das abbilden, also es wird keine klassischen Studiengänge geben, sondern welche, die immer verschiedene Ansätze integrieren.

Durchgängige Studiengänge, international ausgerichtet

Statt Chemie-, Informatik- oder Mathestudium also Lebenswissenschaften, Künstliche Intelligenz, so in etwa, überlegt Zanner. Die genauen Curricula wird erst das Gründungspräsidium entwickeln, das im Januar mit Ernennung des neuen Präsidenten komplettiert wird. Klar ist schon jetzt: Die Studiengänge sollen durchgängig in fünf Jahren absolviert werden können, für Topstudierende auch im Fast-track-Durchlauf. Ein Punkt, den der Wissenschaftsrat in seiner Stellungnahme bereits kritisiert hat, das werde man natürlich berücksichtigen, so Kanzler Zanner:

Momentan gibt es ja sehr viele Reibungsverluste beim Wechsel vom Bachelor in den Master, wo man dann noch zusätzlich Veranstaltungen dazu machen muss. Ich finde es ein interessantes Konzept, das mal zu durchdenken und das dann Stück für Stück umzusetzen.

Die passenden Studierenden für Bayerns Klein-Cambridge will Kanzler Zanner zu 40 Prozent aus dem Ausland holen. Afrika, Asien, Europa. Kooperationen mit Amerikas Top-Eliteunis inklusive. Neben verpflichtenden Eignungsverfahren sind auch Studiengebühren geplant.

Studiengebühren, warum nicht.

Genau die hatten die Freien Wähler noch als Oppositionspartei bekämpft, gibt ihr wissenschaftspolitischer Sprecher Hubert Faltermeier zu. Trotzdem tragen die Freien Wähler das CSU-Prestigeobjekt mit:

Ja, da haben wir natürlich von Seiten der Freien Wähler schon sehr große Ressentiments. Grundsätzlich sind wir gegen Studiengebühren eingestellt. Natürlich sind es immense Beträge, die hier investiert werden müssen und die anderen Universitäten und Hochschulen dürfen darunter nicht leiden, aber es ist, glaube ich, ein interessanter Mix.

Sehr zurückhaltend geben sich die zwei Institutionen, die bereits seit langem eine sehr gute Hochschulausbildung in Nürnberg garantieren. Die Technische Hochschule Georg Simon Ohm Nürnberg und die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FAU. Denn ursprünglich sollte die TH mit FAU-Institutionen zusammenarbeiten und zur Universität aufgewertet werden.

Niels Oberbeck, Präsident TH:

Das ist, glaube ich, nicht gerade zielführend, sich jetzt nochmal darüber zu unterhalten, wie man das damals empfunden hat, die Entscheidung ist gefallen und es ist für den Standort eine gute Entscheidung. Wenn wir es geschickt anstellen und die neue Einrichtung kooperationsbereit ist, dann kann es auch für uns gut sein.

Essentiell: Zusammenarbeit mit Technischer Hochschule Nürnberg und Uni Erlangen-Nürnberg

Vor allem beim Kampf um die besten Köpfe macht sich die Technische Hochschule derzeit Sorgen. Wissenschaftsminister Sibler widerspricht:

Wir haben gerade die Hightech-Agenda auf den Weg gebracht, zweieinhalbtausend zusätzliche Stellen für die bestehenden Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Das heißt ein unglaublicher Schub im personellen Bereich. Also wir tun beides: Wir bauen eine neue Universität auf und statten unsere bestehenden Einrichtungen optimalst aus.

Wie angespannt das Klima hinter den Kulissen derzeit dennoch ist, zeigt, dass sich der Präsident der direkt benachbarten Universität Erlangen-Nürnberg noch der Vorstand von Uni Bay, der Vertretung aller bayerischen Universitäten, nicht zur neuen Technischen Universität Nürnberg äußern möchten.

ENDE