Für und wider Umsiedlungen in Afrika

Der Nationalpark Sena Oura/ Bouba Ndjidda Kamerun – Tschad/BSB Yamoussa

Frauenkooperative der umgesiedelten Dörfer

Künftig sollen 30 Prozent der globalen Landfläche Naturschutzgebiete sein, 15 Prozent sind es heute. Die Errichtung und Gründung von Nationalparks sorgt einerseits für den Schutz von Tier- und Pflanzenwelt. Andererseits leben Menschen in den Schutzgebieten, die oftmals von den Behörden gewaltsam vertrieben werden – im Namen des Naturschutzes. So geschehen in Tansania im Ngorongoro-Schutzgebiet, in Kenia im Saiwa-Swamp-Nationalpark, am Amazonas. In Indien hat man die Bevölkerung des Nagarhole-Nationalpark überzeugen können, freiwillig umzusiedeln, ebenso in Mosambik, mit zwiespältigem Erfolg. Auch im binationalen Nationalpark Sena Oura-Bouba Ndjidda im Grenzgebiet zwischen Kamerun und Tschad wurde die Bevölkerung von sechs Walddörfern überzeugt, die Häuser ihrer Vorfahren zu verlassen. Das geschah freiwillig, sagen sie.

Bericht im DLF November 2024

Kinder springen um die neuen Brunnen herum, Frauen tragen Wasserkanister zu ihren neuen Häusern. 51 Familien wohnen seit gut zwei Jahren in dem neu errichteten Dorf Yapala in Sichtweite des Nationalparks Sena Oura im Südosten des Tschad:

Man hat uns sehr viel versprochen, sehr viel – neue Brunnen, eine Schule, eine Apotheke.

Der Dorfälteste Wari Jean zeigt im weiten Bogen über das Dorf. Zwischen den einzelnen Familiengehöften mit den typischen Rundhäusern erstrecken sich die Felder. Vor fünf Jahren begann der Umzug aus dem Nationalpark auf die neuen Flächen. Bäume stehen hier nur vereinzelt. Die Sonne trocknet den Boden ungehindert aus. Im Frühjahr gab es Probleme mit den Brunnen, die nicht genügend Wasser führten. Heftige Regenfälle im August schwemmten den fruchtbaren Boden weg:

Man hat uns versprochen, dass uns Bäume gezahlt würden, die wir hier pflanzen können. Darauf warten wir noch. Wir leiden unter dem schlechten Boden der Felder, man kann fast nichts mehr mit Mais oder Hirse verdienen. Warum wir umgesiedelt sind? Die Leute vom Nationalpark haben uns hierher gebracht.

Sie hätten damals verstanden, dass man den Wald schützen müsse, sagt der 60-Jährige. Eine Dorferweiterung, um auf das Bevölkerungswachstum zu regieren, wäre im Wald nur mit Rodungen möglich. Der Nationalpark sei immer auch der Wunsch der Bevölkerung der Region Dari im Departement Mayo-Kébbi gewesen. Gemeinsam mit den anderen fünf Dörfern, ihren ehemaligen Nachbarn im Wald, habe man die neuen Häuser bezogen, hoffte auf einen Neuanfang für die insgesamt 248 Familien. Er selbst habe 27 Kinder von vier Frauen.

Aber: die neuen Felder außerhalb des Nationalparks brächten nur wenig Ertrag. Der Boden sei ausgelaugt und trocken. Die Maispflanzen stehen tatsächlich dürftig in der prallen Sonne. Die Ernte sei nicht vergleichbar zu früher. Schatten spendende Bäume und eine ausreichende Humusschicht wie im Wald fehlen:

Ja, der Park. Das war das, was wir hatten – ausreichend Wasser und gute Felder. Ich habe immer gesagt, wir gehen dort nicht weg.

Bis vor drei Jahren haben wir hier tatsächlich nichts anbauen können, aber seitdem konnten wir von der Ernte gut leben. Wir haben Baumaterial kaufen können davon für die Umsiedlung und den weiteren Aufbau der Dörfer.

Sagt Guibrado Goumango für die Frauenkooperative der umgesiedelten Familien. Penibel sind in ihren Büchern die Erträge der letzten drei Jahre aufgeführt. Die Frauen der Dörfer sind weniger pessimistisch, sie nutzen den Neuanfang ganz aktiv, um aus den archaischen, patriarchalischen Strukturen der ehemaligen Dörfer auszubrechen.

Naja, es ist noch nicht alles so, wie wir es uns vorgestellt haben, nicht alle Frauen haben schon ihr Zuhause, einige sind bei ihren Männern, die anderen hier bei uns, aber wir helfen uns gegenseitig.

Maisfeld mit Ziegen. Häuser im ehemals von Deutschen regierten Südost-Tschad werden aus Backstein gebaut.

Die Bedeutung des Parks ist für uns enorm. Wenn wir ihn in Zeiten des Klimawandels nicht schützen, ist er weg. Die gesamte Bevölkerung rund um den Park profitiert ja davon, wir bewahren den Wald für unsere Kinder, die Tiere erholen sich, das ist die Realität.

Abeina Deguelo beobachtet die Umsiedlung aus dem Nationalpark Sena Oura als Abgeordneter des Tschadischen Umweltministeriums. Das Projekt BSB Yamoussa, finanziert vor allem mit deutschen Geldern der KfW, rund 17 Millionen Euro, betreue erfolgreich den beispielhaften, grenzüberschreitenden Nationalpark von Tschad und Kamerun.

Die Dorfbewohner wohnen ja schon in den neuen Dörfern, die Umsiedlung ist ja auch für sie wichtig. Im Nationalpark gibt es jetzt keine Dörfer mehr. Das ist das einzige derartige Projekt in unserem Land. Das hilft uns sehr.

Menschenrechtsorganisation kritisieren immer wieder die zunehmende Zahl an Umsiedelungsprojekten weltweit, ob im Amazonasgebiet, in Indien, Indonesien oder Afrika. Durch die Ausweisung immer neuer, auch grenzüberschreitender Naturschutzgebiete, wie sie von den Vereinten Nationen gefordert wird, oder auch bei der Erschließung von Bodenschätzen, geraten lokale Gemeinschaften immer stärker unter Druck, so Niklas Ennen von survival international:

Die erste Frage ist doch, ob die lokale Bevölkerung überhaupt weggehen muss, um Naturschutz zu realisieren. Unsere Erfahrung mit indigenen Völkern ist, dass die indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften die besten Hüter der Natur sind, man findet in ihren Gebieten den Großteil der globalen Artenvielfalt, wir sehen auch, dass solche Gebiete ein guter Schutz gegen Abholzung sind.

Neue Siedlung. Im Hintergrund der Nationalpark Sena Oura/Tschad

Umsiedlungen wie die im Nationalpark Sena Oura seien zwar freiwillig, aber man müsse ganz genau hinschauen, ob die Versprechen der Behörden und internationalen Naturschutzorganisationen tatsächlich realistisch und umsetzbar sind, sagt Ennen.

Er verweist darauf, dass 2022 auf dem Weltnaturgipfel im kanadischen Montreal das Abkommen „Kunming-Montréal“ beschlossen wurde: 30 Prozent der Land- und Meeresfläche der Erde sollen bis 2030 zu Schutzgebieten erklärt werden, heute ist es gerade einmal die Hälfte, 15 Prozent. Das heißt nicht, dass dort überhaupt keine Siedlungen oder landwirtschaftliche Nutzung mehr möglich sein wird, aber der Druck auf die ländlichen Gebiete mit hoher Biodiversität steige, so die Menschenrechtsorganisation.

Außerdem bekomme Naturschutz immer stärker eine wirtschaftliche Komponente durch den Verkauf relativ neuer Biodiversitätszertifikate:

Das erhöht natürlich den Druck auf die Menschen, die da leben, aber das macht es natürlich auch für Regierungen, aber auch Unternehmen und Umweltschutzorganisationen sehr interessant, diese Gebiete zu Naturschutzzonen zu machen.

Im Nationalpark Sena Oura, bei den früheren Dörfern, wird deutlich, wie schnell sich die Natur erholt. Die ehemaligen Lehmhütten sind von Gräsern überwuchert, die einstigen Felder erkennt man nur noch an der niedrigeren Vegetation.

Einzig der frühere Dorfplatz unter einem riesigen, ausladenden Baum ist noch nicht zugewachsen.

Verlassene Häuser.

ENDE