Bayerns Windkümmerer. Windkraftanlagen trotz 10h-Regel.

Mit der Einführung der 10h-Regelung vor sechs Jahren durch Ministerpräsident Horst Seehofer sank der Ausbau der Windkraft in Bayern auf ein Minimum. Anträge auf neue Windräder wurden nicht mehr gestellt.

Die Freien Wähler wollen das jetzt ändern trotz Passus im Koalitionsvertrag. Im Rahmen der neuen Windkraftoffensive “Aufwind” konnten sich Gemeinden aus ganz Bayern für die Beratung durch einen kostenlosen Windkümmerer bewerben. In jedem Regierungsbezirk erhielten fünf Kommunen den Zuschlag. Auch im Chiemgau.

Bericht im DLF Umwelt & Verbraucher Dez. 2020

Ortstermin im Rathaus Trostberg, östlich von München. Drei Bürgermeister sitzen mit dem Windkümmere Peter Beermann zusammen, weil sie im nahegelegenen Sieben-Eichen-Forst, der auf gemeinsamem Gemeindegebiet liegt, ein, zwei oder sogar drei Windkraftanlagen bauen wollen. Allein, dass sich hier drei oberbayerische Gemeinden mit einem gemeinsamen Windkraftvorhaben zusammenfinden, ist ein Novum. Die meisten Windräder stehen bislang in Nordbayern:

Die Energiewende wird ohne Windkraft sicher nicht funktionieren. Wir brauchen verschiedene Standbeine. Es gibt bei uns hier in der Umgebung verschiedene Geothermiekraftwerke, wir haben sehr viel Sonnenenergie, was bei uns generiert wird, und die Windkraft ist aus unserer Sicht sehr wohl ein Standbein und jetzt wollen wir sehen, wie realistisch es ist, das zu realisieren.

Im Chiemgau ist man für alles offen

Hofft Karl Schleid, Bürgermeister von Trostberg, rund 11000 Einwohner. Das Angebot des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger habe ihn und seine zwei Nachbarbürgermeister das umstrittene Thema wieder aufgreifen lassen. Man sei für alles offen, ergänzt Franz Ostermaier, der Bürgermeister von Palling mit etwas mehr als 3000 Einwohnern:

Wir wollten den Weg nicht verbauen und eben mit den Kollegen der Nachbargemeinden einfach rausfinden und untersuchen lassen, ob es Sinn macht, an diesem Ort Windräder zu errichten. Wir brauchen in der Zukunft sehr viel Energie, elektrischen Strom und der muss auch irgendwo herkommen und deshalb brauchen wir auch Plätze, wo wir diesen erzeugen.

Er würde sich gern vom Windkümmerer überzeugen lassen, dass auch in Oberbayern Windräder keine Seltenheit mehr sein müssen, so Bürgermeister Ostermaier. Mehr Akzeptanz erhofft er sich von einer dafür zu gründenden Bürgergenossenschaft, wie sie bei dem früher ebenfalls umstrittenen Projekt am Starnberger See mittlerweile sehr gut funktioniert.

Wichtiger interkommunaler Diskurs

Hans-Peter Dangschat, der Dritte im Bunde als dem möglichen größten Kooperationspartner Traunreut mit knapp 21 000 Einwohnern, erhielt vor dem Treffen mit dem Windkümmerer von seinen Bürgern Zustimmung wie auch Ablehnung. 2014 beschloss sein Stadtrat bereits den Einsatz von Windkraftanlagen, seitdem herrscht Flaute:

Das ist eigentlich das Schöne an der ganzen Thematik, dass man mal in den interkommunalen Diskurs einsteigt mit den Kommunen, aber auch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Das war der Anlass, dass ich gesagt habe, um den Windkümmerer wollen wir uns kümmern.

Bauen trotz 10h-Regel, dass sei sehr wohl möglich, erklärt Peter Beermann, der vom Freistaat beauftragte Windkümmerer für Oerbayern mit Firma in Solln. Diese Bezeichnung fand er anfangs etwas zum Schmunzeln, aber es träfe seine Aufgabe in Oberbayern sehr gut. Vor Ort zuhören, technische Lösungen finden, Bürgerbeteiligungen empfehlen. Beworben hatten sich 18 Gemeinden und Städte in Oberbayern, daran sehe man, dass man hier nicht hinter Oberfranken oder der Oberpfalz zurückstehen möchte bei der Nutzung von Windkraft, so Beermann:

Ich habe mir die Kommunen im Vorfeld angeschaut, alle 18, habe Empfehlungen abgegeben, wie so ein Ampelsystem, da halte ich es für wahrscheinlicher, da für etwas unwahrscheinlicher, hier sind die Schwierigkeiten, hier sehe ich sogar ein K.O.-Kriterium auf den ersten Blick.

10h-Regeln eigentlich im Prinzip nicht aushebeln

Er wolle mit der Windkraftoffensive nicht die 10h-Regel aushebeln, beteuert Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Er hat die Windkraftoffensive initiiert. Dezentrale Energieversorgung – ein Kernanliegen der Freien Wähler in Bayern. Das von Horst Seehofer 2014 durchgekämpfte Gesetz ließ die CSU aber in den Koalitionsvertrag schreiben.

Der erste Schritt ist jetzt ganz klar, dass wir den Kommunen helfen, trotz bestehender 10h-Regel, Windkraftstandorte ausgewiesen zu bekommen, dass heißt, die können das ja selber tun in ihrer kommunalen Zuständigkeit über die Bauleitplanung.

Tatsächlich kann die 10h-Regel, die bei aktuell rund 200 Meter hohen Windrädern einen Abstand von 2 Kilometern zur nächsten Bebauung vorschreibt, durch die Gemeinden mit Hilfe der Bauleitplanung umgangen werden, sagt Windkümmerer Beermann.

Windkümmerer – Alibimannschaft ?

Oppositionspolitiker wie der energiepolitische Sprecher der bayerischen Grünen Martin Stümpfig begrüßen zwar den Vorstoß. Doch in diesem Jahr sei bisher kein einziger Antrag für ein neues Windrad gestellt worden. Ob die Windkümmerer aber den notwendigen Zubau an Windkraftanlagen leisten können:

Also die leisten eine sehr ehrenwerte Arbeit, diese sieben Windkümmerer, aber das Problem von der Windkraft in Bayern liegt in der Staatskanzlei. Solange der Ministerpräsident Söder an der 10h-Regelung festhält, erreichen wir nie und nimmer die Klimaziele, die wir erreichen müssen, weil es uns einfach an der Fläche fehlt und da werden die paar wenigen Windkümmerer nichts dran ändern. Das Problem liegt in der Staatskanzlei und das muss grundlegend geändert werden.

ENDE