Ausstellung Nationalmuseum Yaoundé „Once upon a time… the birth of the Staat Kamerun (1884 – 1914)“

In Hamburg sorgte sie drei Jahre lang für viel Interesse: Die Ausstellung zur Kameruner Königsfamilie Duala Manga Bell. Die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Galerie Doual’art griff auf experimentelle Weise im Kontext der derzeitigen Dekolonialisierungsdebatte die deutsche Kolonialzeit von 1886 bis 1914 in Kamerun auf. Sie wurde ergänzt durch zahlreiche historische Objekte aus deutschen und schweizer Museen und Privatsammlungen, die von Angehörigen der Kolonialtruppen, Missionaren und Forschern nach Europa mitgebracht worden waren.
Jetzt ist die Ausstellung im Nationalmuseum von Kamerun, im Herkunftsland dieser Objekte zu sehen – komplett neu von lokalen Künstlerinnen und Künstlern kuratiert.
www.deutschlandfunk.de/once-upon-a-time-ausstellung-in-yaound-zur-kolonialen-gewalt-in-kamerun-100.html

Auf den ersten Blick wirkt es befremdlich, wie selbstverständlich zum ersten Mal im Nationalmuseum von Kamerun, in der nach einem Deutschen benannten Hauptstadt Jaunde, eine Vielzahl deutscher Landkarten präsentiert werden: Gleich am Eingang zur dreisprachigen Ausstellung zum – so auf deutsch – „Staat Kamerun“ empfängt den Besucher die großformatige Landkarte zur „Neuordnung Kameruns“, dann die „Wirtschafts- und Verkehrskarte von Kamerun“, die „Vegetationskarte des von dem Botaniker Ledermann durchreisten Gebiete Kameruns“, Großer Deutscher Kolonialatlas, 1912.

Daneben Originale von vergilbten Behördendokumenten Deutsch-Kameruns, die die penible, effizient brutale Verwaltung des durch die Berliner Konferenz offiziell erworbenen Gebietes erahnen lassen.
In der Ausstellung sind unglaublich außergewöhnliche Karten zu sehen.
So die Initiatorin der Hamburger und jetzt Kameruner Schau, Princess Marilyn Manga Bell. Für sie ist die Ausstellung nichts anderes als historisch, bahnbrechend. Ein Meilenstein in der Aufarbeitung der Kolonialzeit durch Kameruner selbst, so die Nachfahrin des von den Deutschen hingerichteten Rudolf Manga Bell, eines Kameruner Kämpfers für die gleichberechtige Zusammenarbeit zwischen Schwarzen und Weißen:
Die Karten zeigen genau, wie die Kolonie in Kamerunstadt, der heutigen Hafenstadt Douala, begann und sich immer weiter ausdehnte. Diese Artefakte sind praktisch unbekannt hier, sogar meiner Familie. Auch die Masken in der Ausstellung sind vor so langer Zeit aus unserem Land verschwunden, dass sie für uns Kameruner praktisch eine Neuentdeckung sind.

Es sind Objekte wie die Antilopenmaske aus dem Lindenmuseum Stuttgart, die Isango-Zermonien-Maske aus dem Museum der Kulturen Basel, die Ritualpaddel aus dem MARKK Hamburg. Sie alle waren schon in Hamburg zu sehen, in Yaoundé geht man darüber hinaus. Denn das ist neu: Die drei Kuratorinnen und Kuratoren stammen aus Kamerun, bringen ein weltweite Expertise mit, aber auch ihren Blick auf die Vergangenheit ihrer Familien, die Erzählungen ihrer Vorfahren zur deutschen Kolonialzeit.
Chantal Edie, eine der drei Kuratoren und Kuratorinnen:
Unser Hauptfokus bei der Ausstellung liegt darin, die, auch gewaltsame, Veränderung des Landes durch die deutsche Kolonialzeit zu zeigen. Der Staat Kamerun wurde ja erst durch die Deutschen gegründet und gestaltet. Vieles davon existiert heute noch. Diesen Prozess wollen wir zeigen, wie sich das Land durch die Deutschen veränderte, mit welchen Konsequenzen und welche Auswirkungen das heute noch auf uns hat.

Die historischen Originale werden nicht chronologisch präsentiert, nach ihrer Entstehungszeit, sondern in 12 Themenfelder wie Identität. Territorium, Änderung von Moralvorstellungen, „Macht und Institutionen“ gegliedert. Deswegen haben die
Kuratorinnen und Kuratoren zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus Kamerun damit beauftragt, sich mit den Themen und Objekten der Ausstellung auseinander zu setzen. Eines der Werke ist ein überdimensionales Gemälde junger afrikanischer Mädchen, das den selbstherrlichen Umgang der Kolonialisten mit Frauen in bunten, fröhlichen Farben konterkariert.
Frauen mussten nicht nur auf den Kolonialplantagen arbeiten, sondern den Kolonialherren auch anderweitig privat zu Diensten stehen.
Davor sind Plastikdosen platziert mit roter, Kameruner Erde und deutschen Beschreibungen von Vermessungsarbeiten, ein Symbol der Vereinnahmung des Landes durch die Kartografen.

Die Ausstellung kommt zu einer Zeit, in der wir unsere Geschichte selbst schreiben.
Für Eta Odja Eiwang, Vizedirektor des Nationalmuseums, ist allein die Realisierung der deutsch-kameruner Ausstellung ein Signal an die eigene Bevölkerung, die Kolonialzeit neu zu bewerten:
Der Vertrag mit den Deutschen geschah zwar unter kolonialen Vorzeichen, aber erst dadurch haben wir den Staat Kamerun in den noch heute gültigen Grenzen bekommen, wir als Kameruner. Vorher war es ein Sammelsurium aus vielen kleinen, autonomen Stämmen. Heute gehören wir zusammen als ein Staat, uns gehören heute die damals von den Deutschen zusammengeführten Gebiete.

Die Phase des deutschen Kolonialismus wird bis heute vor allem verklärt in Kamerun, das will die Ausstellung relativieren. Am Beispiel der Landkarten, aber auch durch den originalen Hut und Gehstock des von den Deutschen ermordeten Rudolf Manga Bell, die noch nie in Kamerun zu sehen waren. Für Kameruner Besucher eine nahezu spirituelle Erfahrung, aber auch – Gratwanderung.
Es geht nicht um eine generelle Verurteilung der deutschen Kolonialzeit oder dessen Glorifizierung. Das meinen auch die einheimischen Besucher:
Es ist die Gelegenheit, anhand der Originalobjekte endlich den Ursprung unseres Landes und die eigene Geschichte kennenzulernen. Und es geht nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch darum, welche Identität wir als Kameruner haben.
Nach Ende der Ausstellung gehen die Kameruner Masken, Skulpturen und Originalstücke zurück an die Museen in Hamburg, Stuttgart, Berlin und Basel. Unverständlich für diesen Besucher:
Wie? Die gehen wieder zurück nach Deutschland? Okay. Deutschland schickt sie her und nimmt sie dann wieder mit ? Das ist schade, das macht echt traurig.
Wie die Restitution letztlich geregelt wird, werden bilaterale Verträge bestimmen, sagt auch der stellvertretende Leiter des Nationalmuseums. Trotzdem: Die Ausstellung in Jaunde ist ein längst überfälliger Meilenstein in der Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit durch Kamerun selbst.
Sie sei historisch, meinen Kameruner Medien.

ENDE