Impfen in Afrika

Impfstation im Buschkrankenhaus bei Otélé

Nur rund sechs Prozent der Bevölkerung Afrikas sind voll immunisiert. Laut WHO hat vor allem die Delta-Variante 47 afrikanische Länder im Griff, insgesamt 6.587.183 Menschen erkrankten bisher an Corona, davon starben laut WHO 153.530. Der schwarze Kontinent erhält die benötigten Impfstoff-Dosen vor allem durch Impfstoff-Spenden von den reicheren Ländern.

Kamerun, das Land zwischen Nigeria, Kongo und der Zentralafrikanischen Republik mit seinen rund 28 Millionen Einwohnern, profitiert davon ebenfalls. Die Regierung in der Hauptstadt Yaoundé hat im Unterschied zu anderen afrikanischen Staaten außerdem zusätzlich selbst vorgesorgt. Die Impfquote liegt trotzdem bei nur knapp 2,2 Prozent.

Unterwegs in Impfstationen, Krankenhäusern und Arztstationen im Regenwald und in der Hauptstadt Yaoundé.

Impfen in Afrika – Wenig Bereitschaft, genug Impfstoff? (deutschlandfunkkultur.de)

Von außen wirken die gelb getünchten Gebäude der staatlichen Krankenstation im Wald von Ngoumou freundlich. Ein Steinhaus umgeben von Lehmhütten, Palmplantagen und tropischem Regenwald. Nur erreichbar über eine holprige Sandpiste, mitten in Zentralkamerun. Der einzige Arzt hier: Fridolin Mbarag, ein zuvorkommenender, freundlicher Herr, der gleich im Nebengebäude wohnt. Das ist praktisch bei Notfällen und falls sich einer der Dorfbewohner gegen SARS-CoV-2 impfen lassen möchte.

Wir sind mittlerweile in der dritten Kampagne. Ich impfe hier, aber auch in den anderen der fünf Arztstationen rund um Ngoumou. Bislang waren es hier in der Station zwanzig Personen, in Otéle 24 Personen. Ich würde sagen, es lassen sich immer mehr Menschen impfen, andere sind noch nicht überzeugt.

Der Arzt in weißem Kittel könnte auch sagen, der Großteil hier im Wald von Ngoumou ist noch nicht gegen Corona geimpft. Dabei gibt es Impfstoff. Mbarag zeigt auf eine Ecke am Fenster. Da steht eine gräuliche Kühltasche, daneben ein Kühlschrank.

Hier lagern wir die Impfdosen für die Kampagnen und wenn jemand zum Impfen kommt. Schauen Sie, hier haben wir Sinopharm, den chinesischen Impfstoff, das hier sind andere Vakzine für Kinder. Sonst bieten wir noch Johnson & Johnson an, aber das ist derzeit aus. Wir bekommen alles aus der Hauptstadt Yaoundé.“

Chefarzt Fridolin Mbara und der Krankenhauskühlschrank

Die in Europa üblichen Impfstoffe von Biontech, Moderna oder Astra Zeneca sucht man in diesem Buschkrankenhaus vergebens. Der Grund: Biontech ist aufgrund der strengen Lagerungsvorschriften bei Minusgraden in den Tropen ungeeignet, Moderna gar nicht erst erhältlich und Astra Zeneca nur in den Großstädten verfügbar.

Und die vorhandenen Impfstoffe müssen hier auf der Krankenstation oft weggeworfen werden, erzählt Mediziner Mbarag. Wenn der Strom ausfällt – für mehrere Stunden oder sogar Tage – ist er nicht mehr nutzbar. Notstromaggregate oder sogar Solaranlagen mit Stromspeichern seien zu teuer.

Hinzu kommt, dass sich am Tag oft nur eine Person impfen lässt und von den fünf möglichen Dosen einer Ampulle dann vier Dosen weggeworfen werden müssen.

Tja, muss man es eben langsam angehen, wir sind ja dabei, die Leute davon zu überzeugen, aber es ist ja alles freiwillig, ich kann verstehen, wenn jemand skeptisch ist und keine Impfung möchte, den möchten wir auch nicht dazu zwingen.“

Dass sich nur wenige Menschen in Kamerun impfen lassen möchten, bestätigt auch Henri Stéphane Djou. Er ist Chefarzt der nächstgrößeren Klinik in Nkolmelen. In der einst von Missionaren aufgebauten «Père Urs Memorial Clinic» gibt es 20 Betten samt Operationssaal und 18 Mitarbeiter.

Also die Situation mit Covid würde ich hier als sicher beschreiben, auch wenn wir unsere Anstrengungen, die Bevölkerung aufzuklären, noch intensivieren müssten… Wir wissen nicht wirklich, wie viele unserer Anwohner hier geimpft sind. Aber ich würde sagen, wir konnten bereits viele sensibilisieren dafür.“

Trotzdem ist die Impfquote gering hier im Landesinneren. Die empfohlenen Schutzmaßnahmen wie Abstand halten oder das Tragen von Masken werden in Kirchen oder auf den quirligen lokalen Märkten kaum befolgt. Es gebe keine Angst vor dem Virus, erklärt Chefarzt Djou. Hier in den Dörfern hätte es offiziell bisher auch nur drei Todesfälle gegeben. Landesweit sind es in Kamerun seit Pandemiebeginn nur knapp 1900 Tote – bei einer Bevölkerung von 26 Millionen. Im Nachbarland Nigeria sind es bei 210 Millionen Einwohnern offiziell nur 3000 Covid-Tote bisher.

Die Sache ist die, dass die meisten Infizierten keine Symptome zeigen, für sie fühlt es sich an wie eine leichte Grippe. Es gibt keine Komplikationen, also gehen sie auch nicht ins Hospital.“

Zumal ein Besuch in der Klinik Geld kostet. Also vermeiden das viele Familien in ländlichen Regionen. Viele Corona-Fälle dürften somit unentdeckt bleiben. Außerdem ist der Großteil der Bevölkerung in Kamerun sehr jung. 46 Prozent sind unter 16 Jahren. In dieser Altersgruppen sind schwere Verläufe selten – egal wo auf der Welt. Also ist die spürbare Gefahr für viele Kameruner gering. Die Notwendigkeit zur Impfung ebenso.

Graduiertenkolleg des Instituts für Chemie Uni Yaoundé I zur Analyse von Naturheilstoffen

Am 6. März 2020 wurde der erste Corona-Fall in Kamerun amtlich. Seitdem behelfen sich viele vor allem auf traditionelle Art: Auf den lokalen Märkten der Hauptstadt, aber auch auf dem Land drängen sich Bauern und Händler, um auf flachen Tischen, in großen Säcken oder auf Planen am Boden das anzubieten, was gegen eine Covid-Erkrankung helfen soll: Baumrinden, Baumsamen, Blätter und Gräser. Artemisia, afrikanisches Stinkholz, Ingwerwurzeln, Moringablätter, Baobabpulver. Als Sud in kleinen Schlucken über den Tag verteilt getrunken, als Salbe, als Tee oder als Umschlag. In der Hauptstadt an der Universität Yaoundé laufen Forschungsvorhaben zur Wirksamkeit dieser Naturheilmittel gegen Covid-19. Als studierter Mediziner wiegelt Chefarzt Djou ab:

Also, die traditionelle Medizin, die hier gegen die üblichen Krankheiten angewandt wurde, hat sich in den vergangenen Jahren verändert, durch den Einfluss der modernen Medizin. Es gab zwar noch viele Menschen, die darauf vertrauen, aber die Regierung sieht die Anwendung nicht gern. Ich habe nichts dagegen, wenn man damit versucht, gleich am Beginn einer Erkrankung zu heilen, aber wenn es nicht hilft, sollte man auf jeden in die Klinik kommen.„

Dieser Meinung ist auch der Chefarzt des Centre Médical la Cathédrale, einer großen Klinik in der Hauptstadt Yaoundé. Bei Hubert Ndjinga Ndjinga warten die Coronakranken auf den Gängen auf ihr Testergebnis, behandelt wird im Zentralkrankenhaus. Die Situation habe sich aber merklich entspannt, beobachtet er:

Zu Beginn der Pandemie hatten wir hier viele Kranke, die zu uns in die Klinik kamen, das ist sehr viel weniger geworden, die Menschen haben sich daran gewöhnt, sie haben keine Angst mehr vor Covid, auch die derzeitige Welle ist nicht besorgniserregend. Wir müssen sehen, welche Auswirkungen die neue Variante Omicron haben wird, aber bis jetzt gibt es noch keinen Fall in Kamerun, noch nicht.“

Für den Chefarzt in Kameruns Hauptstadt ist die Pandemie fast vorbei. Neue große Ausbrüche erwartet er nicht. Auch keine sich plötzlich ändernde Impfbereitschaft der Bevölkerung. Wer sich impfen lassen wollte, sei auch geimpft, ist Ndjinga überzeugt, sei es weil die eigene Firma, meist international geführt, die Impfung verlangt. Sei es, weil eine Reise nach Europa geplant ist. Oder auch, weil die Kampagnen der Regierung doch bei einigen gewirkt haben, wie bei dieser Frau im Internationalen Impfzentrum:

Ich will mich heute impfen lassen. Das ist mein erstes Mal. Um mich zu schützen, einfach für meine Gesundheit. Ich habe mich jetzt von meiner Freundin überzeugen lassen. Ich will mein Immunsystem stärken. Ich bin dazu nicht gedrängt worden, von niemandem, das ist meine persönliche Entscheidung.“

Internationales Impfzentrum in Yaoundé

Direkt gegenüber vom Zentralkrankenhaus liegt das Internationale Impfzentrum Yaoundés.

Seit dem frühen Morgen seien bereits 25 Männer und Frauen registriert worden, aber nicht nur für Covid-Impfungen, erzählt Shalom Ndoula Tchokfe. Der Chef des Impfzentrums betreut auch Kleinkinder, verabreicht Vakzine gegen Polio, Hepatitis, Dengue-Fieber, Tuberkulose oder Tetanus. Jetzt ist er als Ständiger Sekretär des Erweiterten Impfplans des Gesundheitsministeriums auch zuständig für die Koordination der landesweiten Covid-Impfungen.

Hier in unserem Zentrum haben wir Mitte April begonnen und bis jetzt sehr viele Dosen verimpft. Das geschieht immer in enger Absprache mit dem Gesundheitsministerium. Die Nachfrage aus der Bevölkerung steigt langsam. Wir betreuen nebenbei auch Firmen und Angestellte. Es läuft sehr gut.“

Tatsächlich hält sich der Andrang bis heute auch in der Hauptstadt in Grenzen. Wie im ganzen Land. Rund 800 000 Menschen sind in Kamerun bisher mindestens einmal geimpft. Das entspricht etwa 3,7 Prozent der Bevölkerung. Vollständig geimpft sind etwa 630 000 Menschen. Nur wenige sehen die Notwendigkeit sich zu impfen, weil die Corona-Virus-Statistiken wenig angsteinflösend sind: Offiziell gezählt wurden in Kamerun insgesamt nur knapp 110.000 Infizierte und 1900 Tote bei 26 Millionen Einwohnern.

Warten auf die Impfung

Viel wichtiger für die Bevölkerung ist die sich ausbreitende Cholera in der Hauptstadt Yaoundé. Und die wieder zunehmenden Tuberkulose-Fälle. Und natürlich die Malariasaison während der Trockenzeit im Norden des Landes. Laut Zahlen des Gesundheitsministeriums sind 19 Prozent der Todesfälle Kameruns auf Malaria zurückzuführen, ebenso 48 Prozent aller Krankenhausaufenthalte.

Ausreichend Impfstoff vorhanden

Nicht Corona und schon gar nicht zu wenig Corona-Impfstoffe seien hier ein Problem, betont der Leiter der Impfzentrums Shalom Ndoula Tchokfe. Impfstoff sei ausreichend vorhanden. Anders als es andere afrikanische Länder melden mögen:

Nein, nein, wir haben hier ausreichend Impfstoff, es ist genug vorhanden.“

Regierungsmitarbeiter Tchokfe erklärt, dass die afrikanischen Länder durch die COVAX-Initiative der Vereinten Nationen Millionen Impfdosen erhalten hätten, dazu hätte China geliefert, die Afrikanische Union hätte selbst nochmal 400 Millionen Dosen für den Kontinent gekauft und Kamerun hätte auch selbst noch zusätzliche Impfstoffe gekauft. So seien die 244 nationalen Impfzentren in Kamerun gut versorgt.

Momentan bieten wir hier zwei Vakzine an: Von Sinopharm, dem chinesischen Hersteller, und Johnson&Johnson. Die haben wir hier, die bekommt die Bevölkerung gratis. Wir haben anfangs mit Astra Zeneca und Sputnik V begonnen, aber die beiden anderen Impfstoffe sind einfach besser verfügbar und immer erhältlich.“

Im Unterschied zu den Vakzinen der russischen und britischen Hersteller könne man sich auf die Lieferungen aus China und den USA verlassen, so der Vertreter des Gesundheitsministeriums.

Der Chef am Eingang zum Impfzentrum

Wer mit staatlichen Stellen des Gesundheitswesens spricht, hat auch immer die Korruptionsvorwürfe im Kopf. Kritiker bemängeln, dass sich Politiker zuerst bei den Impfdosen bedient hätten, dazu seien Covid-Tests von einem Ministerium an ein anderes Ministerium verkauft worden und Millionen an Hilfszahlungen seien versickert. Der Internationale Wahrungsfonds hat seit Pandemiebeginn umgerechnet mehr als 300 Millionen Euro an Kamerun gezahlt, aber nur gut zehn Prozent der Covid-Hilfen wurden abgerechnet. Nichtregierungsorganisationen fordern eine Aufklärung von Kameruns „Covidgate“. Aber selbst im Bericht des Obersten Rechnungshofes gab es laut der Analyse einer Menschenrechtsgruppe zahlreiche Ungereimtheiten und Widersprüche. Forderungen nach Sanktionen gegenüber den verantwortlichen Behörden stehen im Raum. Korruption lähmt das Land, nicht nur in Pandemie-Zeiten.

Die Regierung reagiert mit verstärkten Impf-Initiativen

In Zelten vor den Rathäusern von Yaoundé, in Bezirkskrankenhäusern der zehn Regionen, in Behördengebäuden landesweit, sogar vor dem Nationalmuseum der Hauptstadt. Dort stand vor Weihnachten ein weißes Zelt mit bunten Plastikstühlen für den schnellen Piks. Aber es blieb nahezu leer.

Und somit bleibt das Ziel der Regierung von 40 Prozent Geimpften bis zum lang erwarteten weil zweimal verschobenen Afrika-Cup in weiter Ferne. Ab dem 9. Januar ermittelt der Kontinent in Kamerun seinen Fußball-Meister. Zutritt für die zahlreich erwarteten Fans nur mit vollständiger Impfung, wird versprochen. Ob das die Impfbereitschaft unter den Fußball-Fans nochmal erhöht? An Impfstoffen, der Logistik oder dem Personal fehlt es jedenfalls nicht, beteuert das Gesundheitsministerium. Hier und dort hapert es an der Lagerung vor Ort, wenn der Strom ausfällt und Kühlschränke nicht mehr funktionieren, aber vor allem mangelt es schlichtweg an der Bereitschaft in der Bevölkerung. Weil die Bedrohungslage gering erscheint und weil es viel Unwissen gibt, meint Shalom Ndoula Tchokfe – der Koordinator der Covid-Impfkampagne in Kamerun.

Während die Nachbarländer Nigeria mit 6,9 Prozent, Äquatorial-Guinea mit 32 Prozent, Gabon mit fast 20, die Zentralafrikanische Republik mit 10 Prozent und Ruanda sogar mit fast 87 Prozent Geimpften in der Bevölkerung punkten, verharrt Kamerun bei 3,7 Prozent, nur noch unterboten von der Demokratischen Republik Kongo mit 0,3 und Burundi mit 0,05 Prozent:

Es gibt sehr viele Falschinformationen über das Impfen und über die Wirkungen des Impfstoffs. Man kann am Telefon gar nicht so viel berichtigen, wie an falschen Mutmaßungen existieren. Das Gesundheitsministerium und seine Öffentlichkeitsmitarbeiter versuchen, so viele Informationen zu veröffentlichen wie möglich, um die Bevölkerung von einer Impfung zu überzeugen.“

In regelmäßigen Abständen laufen im Staatsfernsehen CRTV großangelegte Kampagnen, immer vor und nach den Nachrichten Darin wird die Bevölkerung mit freundlichen Videos über einladende Impfzentren, impfwillige Bürger und engagiert impfende Ärzte zum Mitmachen aufgerufen. Bisher nicht mit großem Erfolg. Dieser ältere Mann vor dem Impfzentrum winkt nur ab:

Ich bin dafür schon zu alt. Ob ich nun Corona bekomme oder nicht, ich bin schon alt. Das ist eher etwas für die jungen Leute.“

Die jungen Leute auf der Straße sehen es genau umgekehrt: Weil sie noch jung seien, bräuchten sie den Impfstoff nicht.

ENDE

www.afro.who.int/health-topics/coronavirus-covid-19

1www.afro.who.int/news/africa-clocks-fastest-surge-covid-19-cases-year-deaths-remain-low