Islamunterricht in Bayern als Wahlpflichtfach. Zu Besuch im päpstlichen Wallfahrtsort Altötting.

In Deutschland leben gut vier Millionen Muslime, darunter rund 700 000 Schüler und Schülerinnen. Um den Islam nicht nur am Moscheen, sondern auch an staatlichen Schulen als Unterrichtsfach anzubieten, gehen die einzelnen Bundesländer unterschiedliche Wege.

In Bayern lief bis jetzt ein Modellprojekt, das ab kommendem Schuljahr als Wahlpflichtfach regulär angeboten wird. Doch Opposition und Zentralrat der Muslime in Bayern kritisieren die Umsetzung.

Bericht im Deutschlandfunk, Campus & Karriere 19.3.2021

Auf dem Weg zur Josef-Guggenmos-Grundschule fährt man an den zwei spitzen Türmen der Stiftskirche von Altötting vorbei, vorbei am Ziel aller Pilger und Päpste, der Gnadenkapelle mit der Schwarzen Madonna, wo die Herzen der bayerischen Könige begraben liegen.

Hier also, in der Herzkammer Bayerns, wird seit zwei Jahren Islamunterricht angeboten, an 8 Mittel- und Grundschulen.

Der Wallfahrtsort Altötting sei nicht so erzkonservativ wie man meinen könnte, sagt Schulleiterin Isolde Grätzl, auf die Frage, warum sie sich entschieden habe, das neue Religionsfach anzubieten:

Ja, wir haben den Bedarf, wir haben bei den Eltern abgefragt und es haben sich Eltern angemeldet und deswegen bieten wir das jetzt hier an. Ich habe das mal ausgerechnet: Bei uns sind von der Gesamtschülerzahl 17,5 Prozent muslimische Schüler dabei, davon gehen 35 Prozent in diesen islamischen Unterricht, der Rest, also 63 Prozent nehmen am Ethikunterricht teil und zwei Prozent sogar am katholischen Unterricht.

Sieben eng getaktet Lernbereiche sieht das bayerische Kultusministerium im Lehrplan vor. Darunter klassisch ethische Themen wie “Miteinander leben” und “Religiöses Leben”.

Da geht es dann natürlich schon um verschiedene Formen persönlicher Gebete, Regeln für rituelle Gebete, die fünf Gebetszeiten. Dann ist da ein eigener Lernbereich “Glaubenslehre des Islam”. Da geht es dann um solche Inhalte wie Basmalah, Shahada, Ein-Gott-Glaube, Mehr-Gott-Glaube, Gottes Eigenschaften, koranische Schöpfungsgeschichte.

350 Schulen in ganz Bayern bieten den Islamunterricht mittlerweile an, ab Herbst dann als Wahlpflichtfach.

100 Lehrkräfte für 350 Schulen in ganz Bayern

Umut Çaltak ist einer der 100 Lehrkräfte – überwiegend Muslime aus der Türkei – die in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg im schwäbischen Dillingen innerhalb eines Jahres als Islamlehrer ausgebildet wurden.

Um ehrlich zu sein war ich auch am Anfang ein bisschen besorgt, als ich hier angefangen habe, wie ich aufgenommen werde. Gott sei Dank war alles sehr herzlich und ich fühle mich sehr wohl.

Der frühere Englisch-Türkisch-Lehrer betreut acht Schulen im Landkreis Altötting. Fast nicht zu schaffen. Ein weiterer Kollege ist nicht in Sicht.

Bayerischer Unterricht für Sunniten, Schiiten, Aleviten

Die Schülerinnen und Schüler in seinem Islamunterricht stammen aus Syrien, Irak, Afghanistan, Ägypten und Iran. Sunniten, Schiiten, Aleviten. Der extra ausgearbeitete bayerische Lehrplan helfe dabei, die Konflikte zwischen diesen einzelnen religiösen Gruppen zu überbrücken.

Ich finde den Lehrplan wirklich ganz gut. Ich fühle mich nicht eingeschränkt. Wir leben hier in Deutschland und in Europa, natürlich muss es hier ein bisschen anders sein. Im Lehrplan steht die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Kinder lernen umzugehen mit der Vielfalt der Gesellschaft.

Die bayerische Opposition kritisiert das Angebot dennoch scharf.

Nur Ethikunterricht oder vollwertiger Religionsunterricht?

Das künftige Wahlpflichtfach sei nur ein erweiterter Ethikunterricht mit etwas Islamkunde, betont die bildungs- und religionspolitische Sprecherin der bayerischen Grünen Gabriele Triebel. Außerdem:

Der jetzige Gesetzentwurf ist erarbeitet worden ohne Beteiligung von den muslimischen Verbänden bzw. mit marginaler Beteiligung der Wissenschaft und das geht in meinen Augen überhaupt nicht. Deshalb laufen auch die Verbände, nicht nur der Zentralrat der Muslime, Sturm gegen dieses Fach.

Fragt man beim bayerischen Büro des Zentralrats der Muslime nach, klingt die Kritik nicht ganz so drastisch.

Man bedauere, “dass die gegenwärtigen Mitwirkungsmöglichkeiten nicht dem gebotenen verfassungsmäßigen Stand entsprechen, wolle aber den Dialog …fortführen”.

Rechtlich derzeit nur Ethikunterricht möglich

Im Kultusministerium versteht man die Kritik nicht. Die muslimischen Verbände seien mit einbezogen worden, so Kultusminister Michael Piazolo:

Also selbstverständlich haben wir auch Vertreter der muslimischen Gemeinschaft mit eingebunden, gerade auch im Rahmen der Verbändeanhörung.

Der Freistaat könne rein rechtlich gar keinen konfessionsgebundenen Islamunterricht, vergleichbar mit katholischer Religionslehre anbieten, das es keine dafür notwendige, gesetzlich anerkannte Organisation ähnlich der katholischen Kirche gäbe. Die bayerischen Grünen schlagen deshalb einen Stiftungsrat als Träger des Islamunterrichts vor, ähnlich wie in Baden-Württemberg. Die bayerische Koalition sieht darin keine Lösung.

In Altötting sind die Verantwortlichen eher froh, dass der Islamunterricht unabhängig von den muslimischen Verbänden entwickelt wurde. Nur so könne ein neutraler Unterricht gewährleistet werden, der die innerislamischen Diskussionen außen vor lässt.

ENDE