Reisernte auf Bali

Traditionell geschnitten und ausgeschlagen/ Karangasem

Tegallalang, Jatiluwih, Belimbing – bei diesen Namen werden Asienkenner hellhörig.

Die drei Regionen auf der Insel Bali gehören zu den berühmtesten und ältesten Reisterassengebieten der Welt. Tegallalang nahe der Kunsthauptstadt Balis, Ubud, zieht jährlich Millionen mit den kunstvoll angelegten Reisterassen in seinen Bann.

In Jatiluwih im Westen Balis versuchen die Farmer auf den jahrhundertalten Terrassen, die traditionellen Reissorten zu erhalten, die immer mehr von ertragreicheren Hybridsorten verdrängt werden. Die üppig angelegten Reisterrassen von Belimbing schließlich bestechen durch tropische Randbepflanzung, imposante Wasserfälle und die beeindruckende Bergkulisse des Vulkan Batukaru.

Sonntagsspaziergang im DLF August 2020

Da Reis in den Tropen drei- bis viermal im Jahr geerntet werden kann, findet man auf der Insel alle Stadien von Reispflanzen: Ganz junge, deren Spitzen gerade so aus dem Wasser herausschauen, sattgrüne, blühende Pflanzen und die gelben, erntereifen Halme, die noch immer ganz traditionell per Hand geerntet werden.

Reisernte bedeutet früh aufstehen.

Wir sind in Bungaya mit Nyoman Suarsini verabredet, am Pura Bale Agung, dem Tempel des kleinen Bergdorfes im Osten Balis. In Sichtweite erhebt sich der Vulkan Gunung Agung, nach dem Glauben der Einheimischen, der “Sitz der Götter”. Und so majestätisch sieht der gewaltige Bergkegel auch aus an diesem Morgen.

Kurz nach Sonnenaufgang um halb sieben früh herrscht schon viel Bewegung im Ort. Männer in den typischen dunklen Sarongs und mit Udeng, einem kunstvoll geknoteten Stück Stoff auf dem Kopf. Frauen, in bunte Sarongs gehüllt, balancieren Bastkörbe mit Mangostin, Papaya, Rambutan oder Snakefruit auf dem Kopf. Überall riecht es nach Räucherstäbchen von den aus Bananenblättern geflochtenen Opferschälchen vor den Häusern und auf der Straße.

Am Fuße des Vulkan Agung

In Bungaya, einem der wenigen traditionellen Bali-Aga-Ureinwohner-Dörfern Balis, sind wir zur Reisernte verabredet. Die Sonne scheint, die Luft ist noch kühl am Morgen, die beste Zeit für die wichtigste Zeit auf Bali. Die Reisernte.

Ein Roller vornweg, der zweite hinterher, so geht es Richtung Reisfeld, die hier padi genannt werden. Immer entlang an kleinen und größeren Wassergräben, über winzige Brücken, quer durch einen kleinen Dschungel, auf und ab. Nicht ganz einfach für einen Europäer, da das Gleichgewicht zu halten und nicht in einem der Wassergräben zu landen…

Plötzlich öffnet sich der Wald und vor uns liegen die Reisterrassen. Fein säuberlich in mal größeren, mal kleineren Vierecken, abgegrenzt durch kleine Erdwälle. Einige sind noch sattgrün mit blühendem Reis, andere bereits braun – abgeerntet. Dazwischen die gelben Vierecke, wo die Ähren schwer bis zum Boden hängen und auf die Ernte warten. Und überall schwarz verwitterte, mannshohe Opferschreine für die Reisgöttin Dewi Sri.

Bunte Schirme und Reishüte

Wie bunte Tupfer stehen vereinzelt Sonnenschirme auf den Feldern, daneben sieht man zuerst die Spitzen der traditionellen runden Reishüte, ehe darunter die Menschen zum Vorschein kommen. Fast überwiegend nur Frauen, Tücher vor dem Mund gegen den Staub.

Also, Sie können jetzt hier mithelfen. Was Sie gern möchten. Reis schneiden, Die Halme ausschlagen.

Die balinesische Höflichkeit. Reisernte soll eine schwere Arbeit sein, hieß es vorab. Für Europäerinnen zu schwer. Doch so schwer oder anstrengend ist es gar nicht. Mit einer Hand greift man mehrere Halme und schneidet sie auf halber Höhe mit der Sichel ab. Dann folgt das Ausschlagen der Körner.

Man nehme ein Bündel Halme in beide Hände, schlage mehrmals kräftig auf einen schräg stehenden Rost, ähnlich einem europäischen Erdsieb, bis alle Reiskörner von den Halmen auf eine große, blaue Plastikunterlage gefallen sind. Das Bündel wird beiseite gelegt und ein neues genommen. Je nach Größe des Reisfeldes kann das einen ganzen Tag dauern. Wasserflaschen gegen den Durst liegen bereit. Etwas Nasi Goreng, gebratener Reis. Schmeckt auch kalt.

Das Reisstroh wird später als Einstreu für Kühe genutzt oder verbrannt. Der typische Geruch wie nach europäischem Kartoffelfeuer. Der Reis zwei Tage getrocknet, eher er geschält wird.

klappernde Vogelscheuchen an fast jedem Reisfeld

Über 45 Nassreiss-Sorten werden in Indonesien angebaut, dazu fast 150 Trockenreisarten

Sigelis, so heiße der Reis, den sie hier anbaue, sagt Nyoman Suarsini. Über 45 Nassreiss-Sorten werden in Indonesien angebaut, dazu fast 150 Trockenreisarten. Einige Versuche mit Goldenem Reis, einer gentechnisch veränderten Sorte, sollen in Nordbali vom IRRI, dem Internationalen Reisforschungs-Institut geplant worden sein, sagen kritische Balinsesen, angebaut werde Genreis aber auf Bali nicht. Eher das Gegenteil.

Die international umtriebige Organisation Slow Food hat auch auf Bali ein Büro und tritt für den Wiederanbau alter balinesischer Reissorten, dem heritage rice, ein. Während der Grünen Revolution in den 1960er Jahre forcierte die indonesische Regierung unter Androhung von Strafe den Anbau von schnellwachsendem, weißem Turbo-Hybridreis auch auf Bali. Sorten wie mangsur, mangkok, sigelis oder serang verschwanden. Mehr als 7000 verschiedene Reisarten wuchsen davor in Indonesien. Zumindest die lokalen Sorten will man wieder anbauen: Roten Reis, beras merah, weißen Reis und schwarzen Reis. Das Trinitätssymbol des Hinduismus:

Ja, man kann diese Sorten hier anbauen lassen, wenn man in Kommission geht, das heißt vorab den Reis bezahlt. Dann wird er hier auch angebaut. Die Nachfrage ist aber nicht so groß. Die meisten wollen nur weißen Reis essen, den mal viermal im Jahr ernten kann. Der Schwarze ist für Reispudding, der Rote, der langsam wächst, für Babybrei. Angebot und Nachfrage eben.

Zitat:

Sejuk di Pagi Hari

Hamparan hijauyang luas …

Kühl am Morgen

die üppige, grüne Weite von kühlen Tautropfen

schmücken und klammern sich an den gebrochenen Perlenglanz.

Der Morgen auf den Reisfeldern,

der verwöhnt ist von der Schönheit,

nie überdrüssig, darauf zu starren,

weggewaschene Müdigkeit.

Lieder und Gedichte über Reis

Es gibt unzählige Gedichte über Reisfelder, Reispflanzen, Reisernte. Hier wie anderswo auf der Welt kennen sie aber nur noch die alten Leute. Oder die Heranwachsenden, denen Traditionen eben wieder wichtig werden. Balinesen wurden früher gern von anderen indonesischen Provinzen abgeworben, weil sie für ihre ihre Reisanbaukultur, die mühsam und kunstvoll angelegten Terrassen bewundert wurden.

Nur auf Bali gibt es die berühmte Subak-Gemeinschaft, die Bewässerungsgenossenschaft, die bestimmt, wann auf welchem Feld das Wasser von wo heran- oder hinabgeleitet wird. Die Subaks gibt es seit fast genau 1000 Jahren, exakt seit dem Jahr 1022. Eine unglaublich beeindruckende Selbstorganisation der Reisbauern. Ohne die oft langen Bambusrohre, Äquadukte und Kanäle für das Wasser, das oft in den tief eingeschnittenen Tälern fließt, könnten heute nicht über 3 Millionen Menschen auf der Insel ohne Reisimporte leben.

In dunklen Farben, mystisch und verklärend erscheinen Balis Reisfelder, Reisterrassen und Bauern bei der Reisernte auch auf den Gemälden des deutschen Künstlers Walter Spies, der in den 30er Jahren auf Bali lebte. Von der Terrasse seines pittoresken Hauses in Iseh, Sidemen konnte er die Bauern bei der Ernte beobachten. Sogar Charlie Chaplin wollte in einem Filmprojekt die Bedeutung von Reis in den Mittelpunkt stellen, wie seine Familie vor einigen Jahren in den Archiven herausfand. Aus der Idee wurde zwar nichts, aber noch immer fühlen sich Künstler aus aller Welt von den Reisterrassen und der Magie der Reisernte auf der Insel angezogen, was man im Kunstmuseum von Ubud besichtigen kann:

Das Pflanzen der Setzlinge, die Erde, die Wolken, die Reisterrassen, das gehört bei vielen unserer Künstler ganz normal zum Schafen dazu.

Erzählt Agung Rai, der Initiator und Sammler des Arma-Kunstmuseums in Ubud. Von Walter Spies’ Landschaftsgemälden sind nur Repliken im Museum zu sehen, die meisten seiner wenigen Werke sind heute in Privatbesitz.

Mit Agung Rai im Arma Kunstmuseum Ubud

Traditionelle Messer und Riten

Langsam arbeiten wir uns auf dem Feld voran. Die Sonne steht im Zenit. Überall auf den benachbarten Feldern schneiden die Frauen mit schnellen Bewegungen die Ähren. Legen sie beiseite auf eine große blaue Plastikplane, damit die ersten herabfallenden Reiskörner nicht auf die Erde fallen, bevor sie ausgedroschen werden. Früher nutzte man ein besonderes Messer zum Schneiden der Halme, das Ani-Ani-Messer. Versteckt in der Hand sollte der Reis nicht sehen, wenn er “getötet” wird. Jeder Halm wurde so einzeln geerntet. Nur in der Berregion der Reisterrassen von Jatiluwih bei den Zwillingsseen in Zentralbali wird dieses Messer noch verwendet. Dort wird auch noch der Beras merah, der heritage-Reis von Bali angebaut. Der traditionelle, langsam wachsende rote Reis, wie er Jahrhunderte lang üblich war. Lange bevor er von den heutigen Hybridreissorten abgelöst wurde, die einen viel höheren Ertrag bringen und bis zu vier Mal im Jahr geerntet werden können. Der Nachteil: Der Bauer muss die Samen für jede Aussaat neu kaufen.

Während Touristen bei überteuerten Reisfeldführungen heute noch vor allem das Ani-Ani-Messer gezeigt wird, benutzt der normale Bauer beim Hybridreis eine einfache Sichel, mit der die Halme ohne viel Mystik oder Sentimentalität büschelweise geschnitten werden.

Es liegt eine arbeitssame, aber nicht hektische Stimmung über dem Erntetag auf den Reisterrassen. Einige der Frauen machen Pause unter bunten Sonnenschirme mit den typischen balinesischen Bommeln. Wenn es anfängt zu regnen, wird nach dem Regen weitergemacht.

Überall ist das leise Plätschern von Wasser zu hören.

Manchmal kommt ein Nachbar die schmalen Erdwälle zwischen den padis vorbei, balanciert barfuß oder in den typischen Flipflops die gerade einmal fußbreiten Wege entlang. Es wird gelacht.

Reisernte bedeutet Zukunft. Wenn auch nicht Reichtum. Gerade einmal 20 000 Rupien erhält ein Bauer für einen Quadratmeter Reisfeld im Monat, meinen sie. Weswegen immer mehr Balinesen – wo möglich – die Terrassen einebnen und Häuser für Touristen darauf bauen. Mit einem Quadratmeter Wohnfläche kann man rund um Ubud, Canggu oder Seminyak, den Touristenhochburgen Balis, das Dreifache verdienen.

Früher als Kind war ich mit meinem Großvater auch auf dem Feld und habe mitgeholfen.

Sagt Suci Komang, heute Hotelmanagerin in Karagasem:

Reisanbau lohnt sich heute nicht mehr. Man bekommt so wenig Geld. Aber es gibt noch genügend Bauern auf Bali. Wir müssen keinen Reis importieren. Wir können von unserem eigenen leben. Wir mögen vor allem den Reis aus Tenganan in Sidemen, dem Ureinwohnerdorf am Gunung Agung, dem Vulkan Agung, unserem Götterberg.

Ring carike sane linggah

Pantun nyane sampun kuning

I cetrung ngelah pianak

Nanging kantun alit-alit…

Auf den weitläufigen Reisfeldern

werden die Reispflanzen langsam gelb,

eine Spatzenmutter bekommt Junge,

sie sind noch sehr klein.

Die Reisbauern wollen das Feld morgen ernten,

die Spatzenmutter ist sehr traurig:

Oh mein Gott, was sollen meine Jungen nun fressen?

Vogelscheuchen mit Büchsen und Schnüren

Tatsächlich sind Spatzen ein Problem kurz vor der Reisernte, wenn dieses Lied traditionell gesungen wird. Sobald sich die Ähren gelb färben spannen die Bauern lange Leinen über die Felder, an denen klappernde Büchsen, bunte Fäden und Tücher befestigt sind. In kleinen Unterständen sitzen Kinder oder Familienmitglieder und ziehen an den Leinen, dass es scheppert. Weiter oben in den Bergdörfer übernimmt das der Wind.

Rauh sang mederbe carik

Sane benjang jagi durus

Kaanyi padi punika

I cetrung sedih ngurimik

Ratu Agung

Kenken jani ban madaya.

Bevor es auf das Feld geht, wird in einer Zeremonie der Reisgöttin Dewi Sri gedankt und um eine gute Ernte gebeten:

Ja, wir veranstalten vor der Ernte und danach eine Zeremonie, ja wirklich (lacht). Manchmal machen wir auch zwischendurch eine kleine Zeremonie, nichts großes, wir danken einfach dafür.

Räucherstäbchen werden angezündet, kleine Reiskörner auf die Stirn geklebt, Blütenblätter hinters Ohr geklemmt. Man kann gar nicht oft genug danke sagen, meint die junge Frau. Selbst wenn nach der Ernte die Felder von den überhandnehmenden Reisfeld-Ratten, einer eigenen Rattenart auf Bali, gesäubert werden, opfert man den Göttern, um sie wegen der getöteten Ratten zu besänftigen. Früher ließ man extra ein paar Tiere der Rattus argentiventer am Leben, heute ist man da weniger zimperlich.

Schnatternder Putzdienst nach der Ernte

Spätestens bei dem Geräusch weiß jeder Dorfbewohner, dass der Nachbar seinen Reis unter Dach und Fach hat beziehungsweise – im Sack.

Nach der Ernte beginnt die Arbeit für die laustark krakeelenden Enten. Mit Geschnatter fallen sie über die abgeernteten padis her, genießen die feuchte Erde, fressen heruntergefallene Reiskörner, frische Unkräuter und vor allem Schädlinge, die den neuen Setzlingen gefährlich werden könnten. Denn nach der Ernte werden die nächsten Körner ausgesät, das Feld wieder eingeschlämmt, die Keimlinge in Reih und Glied sorgsam ausgepflanzt.

Enten auf einem Reisfeld, dahinter sattgrüner Dschungel, am Horizont einer der fünf Vulkangipfel Balis, in der Sonne ausgebreitete Bananenblattmatten, auf denen die Reiskörner trocknen. Das bedeutet Glück auf Bali. Und für den Bauern eine erfolgreiche Ernte.

Bis zum nächsten Mal. In drei Monaten.