Trinkwasser aus der Leitung oder Flasche?

Streit um wertvolles Tiefengrundwasser im fränkischen Altmühlgebiet

Vermarktung und Privatisierung von Wasser sorgt immer wieder für hitzige Diskussionen, weltweit. Brunnen und Wasserreserven in Deutschland sind meist in öffentlicher Hand. Was nicht heißt, dass Trinkwasser aus dem Boden nicht auch gehandelt oder verpachtet werden kann. Im wasserarmen Franken wird Tiefengrundwasser angezapft – um es hinterher zu verkaufen.

Bericht im Deutschlandfunk Umwelt & Verbraucher 2019

“Da ist jetzt hier so ein Rohr dran im Sommer und da können Sie hier Wasser rauslassen und die Flasche füllen als Radfahrer und mitnehmen.”

Trinkwasser vom Rathausbrunnen – kostenlos. Darauf ist Bürgermeister Jürgen Schröppel stolz. Seine Stadt Weißenburg, südlich von Nürnberg, idyllisch im Frankenjura gelegen, zählte einmal 120 Hausbrunnen, 16 öffentliche Brunnen, von denen einige noch funktionieren: der Ludwigsbrunnen, der Schweppermanns- und der Milleniumsbrunnen.

Millionen Jahre altes Tiefengrundwasser aus gut 280 Metern Tiefe

Allerdings: Das Grundwasser ist immer stärker mit Nitraten aus der Landwirtschaft belastet. Deshalb greift Weißenburg – wie 19 andere Kommunen im Umkreis – seit den 1990er Jahren vor allem auf das Millionen Jahre alte Tiefengrundwasser des Frankenjura zu, auf sieben Brunnen in gut 280 Metern Tiefe.

Genau dieses Tiefengrundwasser in Trinkwasserqualität zapft auch Deutschlands drittgrößter Mineralwasserabfüller, die Altmühltaler Mineralbrunnen an. Das in Plastikflaschen abgefüllte Wasser wird vor allem an Discounter geliefert.

Derzeit darf das Unternehmen 250 000 Kubikmeter Wasser aus zwei eigenen Brunnen entnehmen. Diese Menge soll jedoch noch einmal um 300 000 Kubikmeter erhöht werden und das bei steigender Wasserknappheit, kritisiert Bürgermeister Schröppel und will dagegen gerichtlich vorgehen:

Ja, erhöht werden klingt immer so ganz harmlos. Die Fördermenge soll mehr als verdoppelt werden, das ist jetzt eine Größenordnung, wo man aktiv werden muss.“

Arbeitsplätze oder Schutz des Tiefengrundwassers

Szenenwechsel – in den Nachbarort Treuchtlingen. Dort hat die Altmühltaler Mineralbrunnen ihren Firmenhauptsitz. Schwere LKWs pendeln in kurzen Abständen durch die engen Gassen des Städtchen. Eigentlich gehe es um einen Kuhhandel, gibt Klaus Fackler, Dritter Bürgermeister von Treuchtlingen zu. Seine Gemeinde will schon seit Jahren die riesigen Produktionshallen der Mineralwasserfirma mitten in der Altstadt aus dem Ort herausverlagern. Die Firma, die die meisten Arbeitsplätze im Ort bietet, verlangt im Gegenzug, mehr Wasser fördern zu dürfen:

“Gut, der Stadtrat war sich immer darüber bewusst, dass es ein Spagat ist, in dem man sich da bewegt. Wenn man von einer Firma was will, dass man auch was anbieten muss.“

Tatsächlich kommt das häusliche Trinkwasser in Treuchtlingen schon lange nicht mehr aus der Region. Es wird über eine Fernwasserleitung aus dem Mündungsgebiet des Lechs in die Donau geliefert, an der auch Nürnberg und Erlangen hängen.

Tiefengrundwasser im Supermarkt für 59 Cent pro Liter – als Leitungswasser 1000 Liter für 2,25 Euro

Die 20.000 Bürger des benachbarten Weissenburg versorgen sich überwiegend über das gemeinsame Tiefengrundwasser. Für 1000 Liter Trinkwasser zahlen sie an ihre Stadtwerke 2,25 Euro – also kein Vergleich zu den Preisen im Supermarkt:

“Ich denke, das ist eine Thematik, wo eine höchstrichterliche Klärung auch für alle anderen, die in Zukunft davon betroffen sein könnten, hilfreich wäre.”

Weissenburg darf sich pro Jahr mit 750 000 Kubikmeter Wasser aus den Tiefenschichten bedienen. Mehr nicht. Der Bedarf darüber hinaus muss über Fernwasserleitungen zugekauft werden.

Keiner wisse genau, wie sich die mehr als Verdopplung der Fördermenge auf das Tiefengrundwasser auswirke.

Absenkung des Grundwasserspiegels um 6 Meter

Der Chef des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes Ansbach Thomas Keller versucht aus fachlicher Sicht zu beruhigen. Das riesige Grundwasserreservoir erstrecke sich schließlich über Mittelfranken bis hin zur Oberpfalz und enthalte rund 25 Milliarden Kubikmeter. Dennoch habe eine nachhaltige Nutzung natürlich oberste Priorität, steht in seinem Gutachten für das zuständige Landratsamt:

In unmittelbarer Umgebung von diesen 0,3 Millionen, die da im Raum stehen, rechnen wir natürlich schon damit, dass sich die Pegelstände etwas deutlicher absenken, weiter weg wird das gegen Null auslaufen und uns geht es genau um diese Überprüfung, passt es so oder passt es nicht.”

Vom Landratsamt, das den Antrag genehmigen würde, heißt es: Es sei „eine Interessen ausgleichende Nutzung und Bewirtschaftung der vorhandenen Wasserreserven zu gewährleisten“. Thomas Keller vom Wasserwirtschaftsamt empfiehlt der Behörde, dem Mineralwasser-Unternehmen die zusätzlich Entnahme erst einmal probeweise auf sechs Jahre zu genehmigen. Allerdings sagt das Gutachten schon sehr präzise voraus, dass ein Absenken des Grundwassers um 6 Meter auf jeden Fall zu erwarten sei.

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