Illegale Fischerei und Überfischung im Golf von Guinea/Kamerun

Rückkehr der Fischer in Limbe

Somalia und das Horn von Afrika galten vor gut zehn Jahren als Hotspot für Piratenangriffe. Die EU startete die Operation Atalanta. Heute, zehn Jahre später passieren die meisten Überfälle auf Überseeschiffe im Golf von Guinea, in Westzentralafrika. Einer der Gründe: Immer mehr Fischtrawler aus Europa und Asien fangen in einem der letzten fischreichen Gebiete der Welt den Einheimischen ihre Lebensgrundlage weg, meist illegal (IUU). Reportage aus der Hafenstadt Limbe in Südwestkamerun.

https://srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=dira_DLF_5183c4e4

Bericht im Deutschlandfunk, Umwelt & Verbraucher 17.2.22

Jedes Jahr wird es weniger, wird es schlechter, sie kommen einfach in unsere Gewässer.

Wir müssen immer weiter rausfahren, weil der Fisch verschwunden ist.

Wir fahren bis nach Malabo raus mit unseren kleinen Booten, das ist sehr weit, mitten im Atlantik.

Halb zehn vormittags im Hafen von Limbe, Südwestkamerun. Die ersten Fischerboote kommen zurück von der täglichen Nachttour. Um zwei Uhr seien sie rausgefahren, sagen die jungen Männer, fast acht Stunden später bringen sie zwei Eimer Fisch mit, der Fang der Nacht:

Das ist alles. Nur kleine Fische. Wir sind drei Stunden rausgefahren, haben die Netze ausgeworfen, da war nichts, dann sind wir weitergefahren. Das ist das Ergebnis. Vielleicht bekommen wir 9000 Franc, also 13 Euro dafür, vielleicht auch 20 Euro, also 15 000 Franc.

Die jungen Fischer auf den buntbemalten Holzbooten sind alle zwischen 16 und 25 Jahren und wütend auf die riesigen Fischtrawler, die nachts ohne das eigentlich vorgeschriebene GPS-System mit viel zu engmaschigen Schleppnetzen alles aus dem Meer holen, was schwimmt. Und nicht nur das:

Man sieht diese Trawler nicht, sie schalten die Lichter aus, man kann den Namen nicht erkennen, um sie zu melden. Und es sind viele, die tagsüber wieder in internationale Gewässer verschwinden. Sie schalten das Ortungssystem aus. Sie schalten die Lichter aus, keine Signale, nichts.

Die örtlichen Fischer, von denen viele üblicherweise aus Ghana, Benin und Nigeria stammen (UNIPARM Union des pêcheurs artisans maritimes), haben von diesem Vorgehen aus ihren Ländern gehört, jetzt ist auch Kamerun betroffen, weil die Trawlerflotten immer weiter vom Senegal in Westafrika Richtung Zentralafrika weiterziehen, dem Fisch hinterher, weiß auch Adolf Mokolo, der örtliche Chef der Hafenpolizei. Viel unternehmen könne man nicht dagegen, er hätte ja noch nicht einmal eigene Boote für die Küstenwache:

Wir können das nur weitergeben an die nächsthöhere Behörde, die wieder geben es weiter an ihre Vorgesetzten, mehr nicht. Ich weiß, woanders kontrolliert man das Hoheitsgebiet, hier ist das eben anders.

Polizeistation Hafen Limbe

Ältere Fischer als Beobachter

Der Hafen setzt daher verstärkt auf ältere Fischer, die als Beobachter auf dem Meer unterwegs sind wie der 73jährige David Butame. Er kam vor 48 Jahren aus dem Benin nach Kamerun, besitzt vier Boote. Aufs Meer fährt er nur noch, um die ausländischen Trawler zu beobachten und sofort zu melden. Anders könne man nicht gegen sie kämpfen:

Für uns ist es so viel schwerer geworden. Die chinesischen Schiffe fangen alles weg. Sie kommen so gegen 4, 5 Uhr, meist zu zweit, manchmal überfahren sie die Netze und Boote unserer Leute. Viele von uns können aber keine andere Arbeit annehmen, wir waren doch immer Fischer.

Die Folge: Nicht nur die jungen Männer fahren häufig umsonst aufs Meer – weniger Fisch bedeutet auch höhere Preise für die einheimische Bevölkerung. Der bis hin zu den Märkten der Hauptstadt Yaoundé berühmte Räucherfisch aus Limbe – mittlerweile ein teurer Luxus, so diese Aufkäuferin in einer der Räucherhallen:

Die Preise sind hoch. Letztes Jahr kostete der Fisch viel weniger. Es lohnt sich nicht mehr für mich, das auf unserem Markt in Buea zu verkaufen, der Fisch ist zu teuer, ich mache keinen Profit mehr.

Jedes ausländische Fischereischiff benötigt für die Hoheitsgewässer Kameruns eine Fanglizenz und einen einheimischen Partner, oft nur ein Strohmann, sagt Nadège Matha vom Fischereiministerium Kamerun. Dabei fließe viel Bestechungsgeld, die Lizenzkosten liegen bei gerade einmal rund 2000 Dollar. Der chinesische Staat baue außerdem derzeit einen der größten Hafen in Zentralafrika in der Hafenstadt Kribi, China investiert in die Agrarwirtschaft Kameruns.

Das ist ein großes Problem, weil die Verträge nur mit Kameruner Firmen abgeschlossen werden, aber ausländische Trawler für ausländische Konzerne alles wegfangen. Kamerun hat also nichts davon und unsere Bestände werden ausgebeutet durch Ausländer.

Einsatz von illegalen Chemikalien

Ein noch größeres Problem sieht Maurice Beseng, Meeresforscher an der Universität Sheffield, im Einsatz von Chemikalien auf den ausländischen Hochseeschiffen: Um illegalen Fang wie zu kleine Fische zu vertuschen, werde der Beifang oft mit Flüssigkeiten besprüht, bevor er wieder über Bord gekippt wird, so Beseng:

Es gibt Regularien, die die Größe der gefangenen Fische begrenzen. In den illegal engmaschigen Netzen finden sich aber oft ganz kleine Fische. Wenn diese ins Meer zurückgekippt werden, bleiben sie oft an der Oberfläche und damit sie schneller absinken, werden sie vorher mit Chemikalien besprüht.

Kamerun hat laut Regierungsangaben einen Bedarf an Fisch von rund 400.000 Tonnen. Um diesen Bedarf zu decken, muss der Staat Fisch importieren, u.a. von chinesischen Firmen.

Strandverschmutzung Hafen Limbe

Die Kommission, die sich für die Bekämpfung der illegalen, ungemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU-Fischerei) weltweit einsetzt, hat vor einem Jahr eine Warnung (die sogenannte gelbe Karte) gegen Kamerun ausgesprochen und das Land aufgefordert, die IUU-Fischerei stärker zu bekämpfen.
Ausschlaggebend für den Beschluss der Kommission war, dass Kamerun vereinbarte Standards gemäß dem internationalen Seerecht als Flaggen-, Hafen- und Marktstaat nur mangelhaft einhält.

ENDE

weiterführende Links:

www.gog-mdat.org

womeninseafood.org/resources

Fisheries: a Japan-backed XAF6.5 bln project still just 9% completed since 2017 – Business in Cameroon

EU Renews its Commitment to Anti-Piracy Patrols in Gulf of Guinea (maritime-executive.com)

What Defines Success and Failure for Africa’s Blue Economy Projects? (maritime-executive.com)

MAVECAM to invest over XAF12 bln in fish-farming projects in Cameroon – Business in Cameroon

China brushes off US sanctions against Dalian Ocean Fishing (seafoodsource.com)

National Oceanographic Data Center of Cameroon – Über Cndo (odinafrica.org)

SERECOMA Kribi (irad.cm)

www.ble.de/DE/Themen/Fischerei/fischerei_node.html;jsessionid=BB78F97D33EB04754E1F1DD78FE3770C.1_cid325

www.bundesmarktverband-fisch.de

www.fischbestaende-online.de/fao-fanggebiete