Panzer um jeden Preis: Wo die Leoparden Ärger machen

Bei Krauss-Maffei Wegmann in Allach bei München herrscht derzeit Nervosität. Nicht nur weil man seit Monaten auf Aufträge vom Bund für neue Panzer wartet, sondern auch weil es Ärger mit der Nachbarschaft gibt. Derzeit (bis zum 27.1.) liegen im Münchner Umweltreferat die Unterlagen und der Antrag von Kraus Maffei Wegmann für die Genehmigung ihrer Panzerteststrecke vor (Entscheidung bis Juni 2023). Die gibt es zwar schon seit 1964, aber ohne Genehmigung. Das hat man erstaunt beim Münchner Umweltministerium festgestellt und lässt es von der Stadt prüfen. Ins Rollen gebracht hat das eine Bürgerinitiative von Anwohnern der Teststrecke, denen die rollenden Panzer schlicht zu laut sind. Die IG Metall hält dagegen und warnt vor dem Verlust von fast 1700 Arbeitsplätzen.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/panzer-leopard-teststrecke-allach-muenchen-baugenehmigung-102.html

Gerhard Moosburger (li.) und Pascal Fuckenrieder

Fast jeden Tag, wenn Gerhard Moosburger auf der Terrasse seines Hauses steht, hört er dieses dumpfe Geräusch. Rollende Panzer, die über Hindernisse fahren, drehen, starten, stoppen. Samstag vormittags, werktags, teilweise ab 7 Uhr früh:

Also in der Winterzeit weniger, aber bis Dezember waren es so viermal die Woche, das schätze ich schon.

Wie hoch die Dezibelzahlen sind, weiß er nicht genau, aber dass es viel zu laut ist, schon. Seine Nachbarin und die Mitstreiter der Bürgerinitiative „Schule statt Panzer“ empfinden das ähnlich und wollen es nicht mehr akzeptieren:

Also wenn der Wind ungünstig steht, dann kann es passieren, dass du dein eigenes Wort im Garten nicht mehr verstehst, tatsächlich, wenn man davon ausgeht, dass so ein Panzer mit 130 Dezibel fährt, wir sind hier 200 Meter von der Strecke weg, dann kann man sich vorstellen, wie laut es tatsächlich ist.

2020 startete die Bürgerinitiative eine Petition an den bayerischen Landtag, beauftragte Anwälte, die das Münchner Umweltreferat dazu auffordern, die Panzerteststrecke von Kraus Maffei Wegmann stillzulegen, da sie nie genehmigt wurde und die Lärmbelastung für die Anwohner zu hoch sei:

Ich habe immer das Gefühl, dass die Stadt München noch vor ein paar Jahren gesagt hat, das gehört hierher. Ich glaube, dass man jetzt von der Stadt München und dem RKU einsieht, das muss man prüfen, passt das alles, ist das alles so in Ordnung, wo liegen die gravierenden Fehler.

Meint Anwohner Mossburger. Verstärkt wird das Problem, seit eine neue mehrgeschossige Wohnanlage direkt gegenüber des Firmengeländes gebaut wurde und den Schall reflektiert.

Fakt ist: Als die Strecke 1964 gebaut wurde, lag das Gelände noch weit außerhalb Münchens, eine Baugenehmigung benötigte man damals nicht, heißt es von Seiten der Rüstungsfirma, Anwälte halten dagegen, dass die Anlage nie genehmigt wurde und nicht legal sei nach Bundesemissionsschutzgesetz. Das dem Umweltministerium unterstellte Landesamt für Umweltschutz LFU kam im März 2020 ebenfalls zu der Feststellung, dass den auf der Teststrecke beantragten Fahrten von 60 bzw. 65 Runden des Leopard 1 bzw. Leopard 2 nicht zugestimmt werden könne.

Wie sich die Rechtslage tatsächlich darstellt, wird derzeit von der Landeshauptstadt München geprüft. Die von Krauss-Maffei-Wegmann beantragten Genehmigungsunterlagen liegen öffentlich im Klima- und Umweltreferat aus, das sich schriftlich äußert:

Zitat Umweltreferat:

Alle gesetzlichen Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der damit verbundenen Verordnungen müssen eingehalten werden.

Die entsprechende eingehende Prüfung des Antrages durch die Aufsichtsbehörde umfasst über die Konzentrationswirkung des BImSchG alle relevanten Emissionen, die Auswirkungen auf die Umgebung haben könnten wie z.B. Lärm- und Geruch, wasser/abwasser- und abfallrechtliche Belange aber auch das Planungsrecht, Brandschutz, gewerbeaufsichts- und sicherheitsrechtliche Aspekte Wir haben jedoch am immissionsschutzrechtlichen Verfahren auch das Bundesministerium für Verteidigung beteiligt, um das öffentliche Interesse am Betrieb der Anlage (z.B. zu Zwecken der Landesverteidigung oder zur Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen) besser einschätzen zu können.

In der riesigen Kantine der Rüstungsfirma, gebaut im Dritten Reich 1939 und denkmalgeschützt, wird seit der der Petition der Bürgerinitiative und Androhung der Schließung der Panzerteststrecke heftig diskutiert. Anwohner wurden zu Informationsveranstaltungen eingeladen:

Wenn man über 50 Jahre lang nie etwas hört, dass es illegal wäre, bei jedem Bauantrag, der gestellt wird muss man ja Pläne von er Umgebung und allem einreichen, und nie hat es ein Problem gegeben und jetzt auf einmal gibt es eines.

Empört sich der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Krauss-Maffei-Wegmann, Hubert Otto:

Da sehe ich selbst schon als sehr merkwürdig an, dass man von offizieller Stelle nie etwas hört und nun auf einmal ist es illegal.

Vorschläge, die Panzer doch außerhalb des Münchner Stadtgebietes zu testen, werden von der Belegschaft abgelehnt. Das Problem werde nur verlaggert, nicht gelöst, wenn die Teststrecke außerhalb, zum Beispiel in Niederbayern gebaut würde, betont Betriebsrat Otto.

Also die Rundenanzahl wurde schon reduziert auf ein Minimm, also nur noch das Notwendigste wird gefahren, also es wurde ja schon eingelenkt von der Firmenseite.

Um die Qualität zu sichern muss man das Fahrzeug testen, in jeder erdenklichen Lage testen und fahren, deswegen ist das für uns existenziell, das muss ja so sein, weil ohne Teststrecke kann unsere Firma nicht existieren.

Ergänzen die Mitarbeiter. Der Geschäftsführer von Kraus-Maffei-Wegmann Ralf Ketzel warnt, dass sein Rüstungsbetrieb ohne die Teststrecke „bestehende Liefer-Verpflichtungen beim Leopard 2 oder dem Puma nicht mehr einhalten“ könnte. Mittelfristig ginge es zudem um die Frage, wie Kraus Maffei Wegmann seine Kompetenz und damit die Firma generell am Münchner Standort halten könne. Unterm Strich ginge es letztlich um rund 500 Stellen und nicht wie angekündigt 1650 Arbeitsplätze, so Geschäftsführer Ketzl in lokalen Medien. Für den Deutschlandfunk war er nicht erreichbar. Bei einer Schließung der Teststrecke würden die Aufträge künftig von Nexter übernommen werden müssen, das französische Partnerunternehmen. Unterstützt wird die Firma in ihrem Protest von der Gewerkschaft IG Metall München:

Also natürlich betrifft es zuallererst die Produktionsmitarbeiter, aber dann kann man sich überlegen, wenn hier die Produktion nicht mehr stattfindet, warum soll dann Kraus-Maffei-Wegmann dann die teure Fläche in München dann dafür benutzen, die Entwicklung und Forschung hier sitzen zu haben, also dann ziehen die ganz weg, davon bin ich überzeugt.

Sagt Stefanie Krammer, die 2. Bevollmächtigte IG Metall München.

Also mit den Arbeitsplätzen hat das doch nichts zu tun.

Betont Anwohner und Kritiker Mossburger.

Also wir sind auch keine Pazifisten, das ist nicht das Thema, wollen oderwollen wir die Panzer nicht. Wir wollen das Thema auch komplett ausklammern, weil es damit nichts zu tun hat, sondern es geht uns wirklich nur um Gesetz und Recht.

Das ist ganz wichtig, dass man hier die verteidigungspolitischen Fragen und die Umweltfragen voneinander trennt, das sind zwei ganz unabhängige Themen.

Stellt Pascal Fuckenrieder, SPD und Vorsitzender vom zuständigen Bezirksausschuss Allach-Untermenzing fest. Dass seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine die Teststrecke einen ganz neuen Stellenwert bekommen hat, ist den Anwohner aber auch klar. Was passiert, wenn Krauss-Maffei-Wegmann die Aufträge für neue Leopard-2-Panzer bekommt?

Da habe ich eben die Sorge davor, wenn wirklich mehr gebaut wird … die Grenze wurde schon längst überschritten, wenn es noch mehr wird, dann ist das nicht mehr auszuhalten. Die haben schon jetzt eine Genehmigung von 7 Uhr früh bis 20 Uhr. Abends fahren sie nicht, aber morgens um 7 Uhr, auch samstags, wenn man seine Ruhe haben will. So geht das nicht weiter.

Nach der Technischen Anleitung zum Schutz vor Lärm ist in Mischgebieten tagsüber nur 60 Dezibel und nachts 45 Dezibel zulässig. Wie es an der Grenze von Wohngebieten zu Industriegebieten gehandhabt wird, das muss jetzt das Münchner Umweltreferat entscheiden, das seit 2020 die Grünenpolitikerin Christine Kugler leitet. Bei einer Ablehnung folgt der Gang zum Verwaltungsgericht.

ENDE