Abschaffung des Solizuschlags – Ja oder Nein?

Der Bundesfinanzhof verkündet. Die Diskussion geht weiter.

Vor gut 30 Jahren wurde der Solidaritätszuschlag eingeführt. 1991 der Solidarpakt I, 1995 der Solidarpakt II. Die Sondersteuer, gezahlt von jedem Bundesbürger, sollte beim Aufbau der neuen Bundesländer helfen. 30 Jahre später gibt es den Solizuschlag immer noch, zwar nach einer Teilrücknahme 2019 nur noch für rund 10 Prozent, vor allem der gutverdienenden Steuerzahlenden, doch die wehren sich, vor allem in Bayern. Nach Hamburg liegt der Freistaat ganz vorn bei der Zahl der Topverdienenden und von denen gibt es immer mehr. Den Daten der Finanzämter zufolge gab es in Deutschland 2018 mit 26.300 mehr als doppelt so viele Einkommensmillionäre wie 2009. Rund 3,8 Millionen Menschen zahlen noch immer gut 11 Milliarden Euro an Solizuschlag. Ein bayerisches Rentnerehepaar hatte dagegen gemeinsam mit den Bund der Steuerzahler vor dem Finanzgericht Nürnberg geklagt und verloren. Heute Vormittag musste der Bundesfinanzhof in München entscheiden.

Aus der Dlf Audiothek | Deutschland heute | Soli-Urteil – Bayerische Topverdiener müssen weiterzahlen https://share.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.html?audio_id=dira_DLF_72ddb0a8

Noch stehen die Yachten und Boote mit weißen Planen abgedeckt an Land rund um den Starnberger See. Noch ist Starnbergs High Society in den Skiressorts Österreichs und der Schweiz unterwegs. Was heute in München am Bundesfinanzhof, in einer repräsentativen Villa mitten im teuren Stadtteil Bogenhausen, verkündet wurde, dürfte sich jedoch bei Bayerns Einkommensmillionären ganz schnell herumsprechen, Champagnerkorken dürften nicht knallen:

Also es ist ein Urteil, die Klage ist abgewiesen worden, das ist natürlich nicht das Ergebnis, was wir uns gewünscht haben, aber das muss man respektieren.

Anwalt Nils Kröber vertritt die Kläger und weiß, dass bei seinen Mandanten die Enttäuschung groß sein wird. Man werde sich das Urteil ncohmal ganz genau anschauen müssen:

Die Gründe des Bundesfinanzhofs sind solche, die man jetzt genau prüfen muss und mit den Klägern gemeinsam entscheiden muss, ob man den Weg über eine entsprechende Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe nochmal sucht.

Am 21. August 2019 hatte das Rentnerehepaar aus Unterfranken erstmals Klage vor dem Finanzgericht Nürnberg gegen den Solizuschlag erhoben. Das Finanzamt Aschaffenburg hatte bei den Rentnern auch 2020 nach Auslaufen des Solidarpaktes II – den Solidaritätszuschlag erhoben, bis jetzt rund 2000 Euro, wenig im bayernweiten Vergleich, aber es gehe ihnen und allen Betroffenen ums Prinzip, erklärt Kröber als Anwalt des Klägerpaares. In Bayern – und das vor allem Starnberger und am Tegernsee – seien immerhin fast die meisten Einkommensmillionäre gemeldet:

Dieser Solidarpakt I und II ist nun mal aber ausgelaufen, so dass dieser seit 2019 keine Grundlage mehr für den Solidaritätszuschlag bieten kann.

Dem schliesst sich der Bundesfinanzhof heute explizit nicht an. Sprecher Volker Pfirrmann:

Der Solidaritätszuschlag wurde ja eingeführt, mit dem speziellen Zweck, die Kosten der deutshen Wiedervereinigung zu finanzieren, und der Hauptgrund für die heutige Entscheidung liegt darin, dass diese Kosten eben in den beiden Jahren 2020 und 2021 immer noch bestehen im Bereich des Arbeitsmarkts und im Bereich der Rentenversicherung. Und solange dieser spezielle finanzielle Sonderbedarf besteht, kann auch noch der Solidaritätszuschlag erhoben werden.

Wenn nur noch rund 10 Prozent der Steuerpflichtigen, und davon ein Großteil in Bayern, den Soli zahlen müssen, dann verstößt das gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, argumentieren die Kläger. Denn – so ihre Auslegung: Ergänzungsabgaben für den Bund müssen alle Steuerzahlenden betreffen und das sei bei rund 10 Prozent nicht mehr gegeben.

Das sei eine verkappte Reichensteuer oder eben dauerhafte Ergänzungsabgabe und die müsse auch so genannt und vor allem neu diskutiert werden, immerhin gehe es um 11 Milliarden Euro. Mit dem Solizuschlag Aufbau Ost habe das heute nichts mehr zu tun:

OT Holznagel: Uns wurde damals gesagt, mit dem Solidarpakt I und dem Solidarpakt II ist dann auch der Wiederaufbau abgeschlossen. Das ist 2019 der Fall gewesen, der Soli wird aber weiter erhoben, deshalb halte ich es für richtig, dass Politik auch mal Versprechen einhält.

Unterstützt wurden die Kläger vom Bund der Steuerzahler, dessen Präsident Reiner Holznagel das Verfahren begleitet hat. Für ihn ist das heutige Urteil noch nicht klar genug. Man müsse generell klären, ob diese Sondersteuern und Ergänzungsabgaben vom Bund einfach umgewidmet werden können.

Viel wichtiger ist, dass das Bundesverfassungsgericht auch einmal Klarheit darüber schafft, wie wir überhaupt mit solchen Sondersteuern und Ergänzungsabgaben umgehen und wie die Steuerstruktur in Deutschland auszusehen hat.

Vier Wochen haben die Kläger aus dem bayerischen Aschaffenburg jetzt Zeit, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Ob sie es tun, weiß ihr Anwalt noch nicht. Der Bund der Steuerzahler prüft jetzt das weitere Vorgehen.

Wir sind ja so oder so nicht davon ausgegangen, dass heute der Soli eingestellt wird, sondern dass es nach Karlsruhe weitergeht, dass wäre auch eine gewissen Zeit, in sofern bleibt es ein wichtiger Etappenschritt mit wichtigen Rahmenbedingungen und die Koalition darf sich auf jeden Fall nicht zurücklehnen. Alles ist also noch im Fluss, und der Soli ist qua heute zwar bestätigt worden, aber in der Zukunft schon für fragwürdig erklärt worden.

Im Jahr 2024 muss der Solidaritätszuschlag noch einmal geprüft werden, das stand schon vor Urteilsverkündung fest. Und diese Prüfung kann sich wieder hinziehen.

Die Topverdiener unter den Starnbergern und Tegernseern müssen also erst einmal – weiter den Soli zahlen) Solange müssen die Starnberger und Tegernseer weiterhin den Soli zahlen.

ENDE