Sonne satt? Erneuerbare Energien in Zentralafrika.

Photovoltaik nicht immer eine Lösung

Grundschule Tiko/Südwestkamerun mit ihrer neuen PV-Anlage

Gas aus Russland, das soll es in naher Zukunft nicht mehr geben. Europa will sich unabhängig machen von russischen Lieferungen. Auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern ist Deutschland auch in West- und Zentralafrika unterwegs: Senegal, Nigeria, Tschad.

Bericht Deutschlandfunk Kultur Weltzeit August 2022

Erst im April gaben sich die Botschafter der EU, Frankreichs, Italiens, Portugals und Spaniens bei der staatlichen nigerianischen Öl- und Gasfirma NNPC die Klinke in die Hand. Das Ziel der Aktion: Europa will mehr Gas aus Afrika, um von Russland unabhängiger zu werden. Schon jetzt ist Nigeria der viertgrößte Exporteur von Erdgas nach Europa. In den Fokus rücken aber auch die benachbarten Länder wie Kamerun, Kongo und Tschad, die ebenfalls über Gasvorkommen und LNG-Terminals verfügen. Eine seit langem von Nigeria, Niger und Algerien geplante Gaspipeline durch die Sahara soll jetzt realisiert werden. Hinzu kommen geplante Megaprojekte für Solaranlagen in der Sahelzone. Die erwartete Ausbeute an Sonnenenergie in den Wüsten- und Halbwüstengebieten könnte ebenfalls dazu beitragen, den Energiehunger Europas zu stillen. Hinzu kommen riesige Wasserkraftwerke wie das im Bau befindliche Nachtigal-Kraftwerk am Sanaga in Kamerun.

Doch die Nutzung oder ein Export der erneuerbaren Energien ist nicht einfach:

Hier sehen Sie die technischen Systeme unserer Solaranlage, hier ist die Batterie und hier wird der Strom vom Dach umgewandelt in elektrischen Strom. VO

Im zweiten Obergeschoss der bilingualen Grundschule des kleinen Ortes Tiko in Südwestkamerun zeigt Etuge Sumbede Elvis stolz auf das neue Equipment seiner Solaranlage. Oben auf dem Dach sorgt sie für die Stromversorgung des neuen Gebäudes. 15 blauglitzernde Solarpanele zu je 75 Watt. Insgesamt 5 Kilowatt Leistung wurden von ihm und seinen Mitarbeitern vor wenigen Wochen installiert.

Das ist für unsere Computer. Wir wollen hier ein Computerlab einrichten, unseren eigenen Computerraum für die Schüler, aber es sollen auch Menschen aus unserem Ort die Möglichkeit bekommen, hier die Arbeit mit Computern zu erlernen. VO

Stolz halten die Grundschulkinder die einzelnen Solarmodule in die Kamera, betrachten interessiert die blau leuchtenden Flächen.

Computer, Internet gehören für die gut 100 Schülerinnen und Schüler, zwischen sechs und zwölf Jahren, 1. bis 6. Klasse, in Kameruns Südwesten, zum Alltag.

79 Prozent der 24 Millionen Einwohner Kameruns nutzen Smartphones. Und dafür braucht man Strom. Der von staatlichen Anbietern fällt häufig einfach aus. Ein Problem vor allem für Krankenhäuser.

Photovoltaikanlagen sind deshalb für viele Kommunen und Privatpersonen die Lösung. Die Erträge liegen in Zentralafrika zwischen 3,4 und 5,7 Kilowattstunde pro Kilowatt-Peak. Im Vergleich zu Deutschland: Dort liegt die Ausbeute bei 2,7 bis 3,3.

Laut Weltbank haben rund 60 Prozent der Kameruner Bevölkerung Zugang zu Strom, vor allem in den Städten, Auf dem Land sind es nur 25 Prozent. Und die Stromleitungen, die stehen, sind marode. Die salzige Luft am Meer, die trockene in der Sahelzone und die hohe Luftfeuchtigkeit in den tropischen Regenwäldern fordern ihren Tribut. Und investiert wurde schon lange nicht mehr.

Lokale Hilfsorganisationen wie das „Zentrum für kommunalen Aufschwung und Entwicklung“ CCREAD im nahen Buea sorgen für Strom in der ländlichen Region rund um Kameruns höchsten Berg Mount Kamerun. Freiwillige tragen Solarmodule zu Fuss in die entlegenen Regenwalddörfer, wo keine Straßen mehr hinführen, sagt Hilary Ewang Ngide, Direktor des CCREAD:

Uns gibt es jetzt seit 2013. Wir gehören zu den ersten Kameruner Organisationen, die sich um Bildung für junge Menschen und Frauen kümmern. Wir bieten hier auch Kinderbetreuung an, damit die Frauen sich weiterbilden können. 2016 haben wir von der UNESCO einen Preis bekommen für unsere Arbeit. Davon konnten wir dieses Gebäude bauen.

Eposi Njoh Monyengi gehört zu den „Solar-Mamas“, die vor allem in den Dörfern Solarleuchten installieren. In einem Land, wo es von 18 Uhr bis 6 Uhr dunkel ist, fängt der Nutzen von Solarenergie bereits bei diesen kleinen Anlagen an, sagt auch Nafissatou Djidhatou, eine Solarmama aus dem Hohen Norden:

Mit unserer Arbeit können wir gegen die Armut angehen, weil mit der Solarenergie die Versorgung sichergestellt werden kann, die Ernährung und es wird immer mehr.

Es sind diese vielen kleinen Solarprojekte, die Kamerun und die Länder in Zentralafrika prägen.

Die Kommunen wie auch die vielen kleinen europäischen Firmen und ausländische Entwicklungsorganisationen aus Deutschland, Kanada, Schweiz oder Norwegen setzen auf dezentrale Ansätze.

Was jedoch fehlt ist die gezielte Ausbildung von Solartechnikern. Ein Berufsschulsystem wie in Deutschland exisitiert nicht und oft auch nicht das Wissen, wie die Anlagen gewartet und gesäubert werden müssen, weiß Richard Renz. Sein Verein Dikome aus dem schwäbischen Schopfheim unterstützt seit Jahrzehnten die gleichnamige Kommune Dikome mitten im Regenwald im Krisengebiet Südwestkameruns.

Wir haben eine Solaranlage bei uns auf dem Dach, wir haben ja ein großes Haus im Busch, da ist eine Solaranlage drauf, wir haben ein Kraftwerk unten gebaut, da haben sie die Leitungen angeschnitten und Strom abgezapft, da sind die 14 Kilowatt irgendwann mal zu Ende, dann bricht der Generator zusammen, das hatte wir mehrfach gehabt… man muss ihnen das Wissen vermitteln, die Energie ist endlich.

Tausende Kilometer nördlich, in der Sahelzone, hat ein Berliner startup mittels Gleichstromnetz und leistungsstarken Solar-Home-Systemen SHS ein bislang von der Stromversorgung abgeschnittenes Dorf eletrifiziert. Smartphones, Kühlschränke, Haarschneidemaschinen, sogar Fernseher und Wasserpumpen laufen per Sonnenergie. Das Paradox: Gerade im heißen, sonnigen Norden ist Stromanschluss eine Seltenheit. Das Problem: Die Verteileranlagen fehlen.

Energie zu transportieren von einem Ort zum anderen, das ist sehr teuer, das können sich die Afrikaner nicht leisten. Solarenergie hat die Möglichkeit, direkt an den Konsumenten zu kommen. Das ist sehr wichtig. Deswegen bin ich auch gegen die großen Solarfelder, weil man die Energie transportieren muss und das wird wieder teuer.

Charles Mbede arbeitet bei der kameruner Dependance der Blue Power Group, der Firma von Afrikas Solarpionierin Salma Okonkwo aus Ghana. Photovoltaikanlagen seien heute unabdingbar geworden für die Entwicklung Zentralafrikas ist der Ingenieur überzeugt. Stromexport kann er sich unter diesen Umständen nicht vorstellen.

Bislang versorgt sich Kamerun vor allem mit Energie aus Wasserkraft, bis 2035 sollen bis zu 6.000 MW zu produzieren. Im Osten das Kraftwerk Lom Pangar mit einer Leistung von 30 Megawatt, im Süden am Fluss Ntem das von China errichtete Kraftwerk Memve’ele mit 211 Megawatt und in Edea im Südwesten das seit 1953 arbeitende Wasserkraftwerk am Sanaga mit 264 MW.

Weiter flussaufwärts das Song Loulou-Werk mit fast 400 Megawatt, das größte des Landes und der Firma ENEO, zu 51 Prozent im Besitz des britischen Investors Actis. Derzeit wird das nächste Projekt am Sanaga gebaut: Das nach dem deutschen Kolonialoffizier Gustav Nachtigal benannte Werk, eine Referenz an die deutsche Zeit Kameruns von 1884-1916:

Ich würde gern deutsche Firmen hier sehen, es gibt ja viel zu tun hier, sogar Geld können sie hier verdienen, man arbeitet nicht umsonst hier, Hilfe will ich nicht, ich will eine Zusammenarbeit, damit jeder hat seinen Verdienst.

Europäische Firmen halten sich aber noch sehr zurück in Kamerun. Einige seit Jahren vor Ort tätige Mittelständler, wie die bei Hamburg ansässige Firma Lorentz, spezialisiert auf Solar-Wasserpumpen, kümmern sich ebenfalls um dezentrale Projekte. Die für Europa und den Export interessanten großen Megawatt-Solarfelder von italienischen, israelischen und kameruner Investoren, wie sie im Norden, an der Grenze zum Niger und Tschad, längst stehen sollten, wie zB das 30 Megawatt-Solarkraftwerk bei Garoua, geplant von Enneray aus Bologna, auf einer Fläche von 70 Hektar, verzögern sich seit Jahren. Auch aufgrund der politisch instabilen Situation in der von Terrorgruppen wie Boko Haram beeinflußten Sahelzone.

Wir haben keine Probleme, sondern sind offen für gute Projekte und Gelder. Gute Projekte und deren Finanzierung, darum geht es uns. Gutes Material nach europäischer Norm, das brauchen wir. Das größte Problem ist die Finanzierung.

Sagt der Präsident von ACER, des Verbandes für Erneuerbare Energien Kamerun, Gérard Ntchouabia, etwas ungehalten.

Der Grund für die Zurückhaltung des Auslands: Die hohe Korruption. Allein für die Bewilligung der Projekte durch die Behörden müssen Investoren extra Geld einrechnen, Fördermittel reduzieren sich so oft beträchtlich, ehe überhaupt ein Bau beginnen kann.

Zum einen ist es so, dass die administrativen Prozeduren sehr langwierig sind, also solche Projekte zu beantragen, bewilligt zu bekommen, umzusetzen. Auf dem Papier gibt es natürlich viele schöne Pläne, wie die Behörden und die Regierung das umgesetzt sehen wollen, aber in der Realität mahlen die Mühlen einfach sehr langsam…

Deutsche Firmen sind deshalb extrem zurückhaltend, weiß Nina Netzer, Büroleiterin der Friedrich Ebert-Stiftung Zentralafrika mit Sitz in Yaoundé.

Und dann natürlich auch die Größenordnung der Projekte: bei der EU gibt es verschiedene Margen, aber das fängt entweder bei 15 Millionen Euro an oder bei 200 Millionen Euro, und ich glaube, die Anzahl der Akteure in Kamerun, die wirklich ein Projekt dieser Größenordnung stemmen können, lassen sich an einer Hand abzählen.

Investitionen ausländischer Firmen kommen vor allem aus China. Bei der alljährlichen Wirtschaftsmesse Promote stehen die Stände der Solarfirmen dicht an dicht, hoffen auf Kundschaft, die bislang vor allem aus Kommunen, Krankenhäusern, Polizeistationen und Banken besteht. Das inländische Geschäft von chinesischen Firmen wie Huawei boomt. Der Flughafen von Kameruns Wirtschaftszentrum Douala deckt seinen gesamten Strombedarf über eigene Photovoltaikanlagen. Es bewegt sich etwas, aber langsam: Das 2021 von der britischen Firma Savannah Energy vereinbarte Mega-Solarprojekt im benachbarten Tschad über insgesamt 400 Megawatt rund um und für die Hauptstadt N’Djamena – das größte Solarprojekt in Subsahara-Afrika, Kostenpunkt 626 Millionen US-Dollar – wird nach Schätzungen 2025 fertig.

ENDE