Im kommenden Jahr gedenkt man in Bayern des 90. Jahrestages der Errichtung des Konzentrationslagers Dachau, das erste Konzentrationslager in Deutschland und Prototyp für Buchenwald, Sachsenhausen und Auschwitz. Das Internationale Mahnmal der KZ-Gedenkstätte, von dem eine kleine Kopie auch in Yad Vashem steht, wurde jetzt nach Sanierung wieder eingeweiht. Es gäbe allerdings viel dringlichere Aufgaben:
Wer bestimmt eigentlich, wie gedacht wird? Warum werden wir nicht miteinbezogen, dass unsere Gefühle und Erfahrungen da mit einfließen können?
Trotz des sonnigen Herbsttages kommt bei Arnold Ullrich mit Blick auf das frisch sanierte Mahnmal der ganze Ärger wieder hoch:
Wir haben alle gemeinsam den Eindruck, dass wir als Nachkommen bei Gedenkstättenarbeiten eigentlich nicht zur Kenntnis genommen werden. Da ist doch die Frage, wenn das schon saniert wird, inwieweit die Intention noch den heutigen Erkenntnissen entspricht.
Was dem Nachkommen von Sinti und Roma-Opfern fehlt: Das jetzt sanierte Internationale Mahnmal, eine Bronzeskulptur des nordserbischen Künstlers Nandor Glid mit menschlichen Körpern im Stacheldraht, hätte nach 54 Jahren nachgebessert werden sollen. Noch immmer fehlen die Hinweise auf Opfer der Sinti und Roma und der Homosexuellen. Während in Berlin das Denkmal für Sinti und Roma bald sein zehnjähriges Jubiläum feiert, suche man nach Erinnerungen an die Opfer seiner Volksgruppe in Dachau noch immer vergeblich:
Es ist tatsächlich so, dass wir uns hier nicht richtig repräsentiert fühlen, viele meiner Verwandten waren nämlich hier in Dachau und das ist nie so richtig erwähnt worden.
Meint auch der Vorsitzende des Verbandes deutscher Sinti und Roma in Bayern, Erich Schneeberger. Vor allem sein Verband werde bei Sanierungen oder der seit langem geplanten Neukonzeption Dachaus nicht miteinbezogen. Dass es auch anders geht, zeige die Gedenkstätte KZ Flossenbürg in der Oberpfalz.
Karl Freller, Leiter der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, kennt die Kritik und kann sie nachvollziehen. Man müsste tatsächlich die fehlenden Fakten zu den Opfergruppen ergänzen:
Wo man tatsächlich diskutieren muss, ist wo die Winkel hängen, da muss was geschehen, vor allem im Hinblick auf die homosexuellen Opfer, es gibt den rosa Winkel dort nicht und noch zwei andere Winkel fehlen, da wird man sich was einfallen lassen müssen.
Vieles ist überfällig auf dem Gelände der Gedenkstätte: Seit einigen Jahren sind die Originalgebäude wie die Krematorien und die in den 60er Jahren nachgebauten Häftlingsbaracken sichtlich baufällig. Auch das weiß man bei der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Die Opposition fordert seit Jahren eine Nachbesserung und ein tragfähigkes Konzept, das tatsächlich umsetzbar ist.
Historiker Björn Mensing beobachtet die bauliche Situation ebenfalls mit Sorge. Er ist Pfarrer an der Versöhnungskirche, die sich seit 1967 auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau befindet, und führt regelmäßig Schulklassen über das Gelände. :
Das größere der beiden Krematorien, wo man also auch durchgehen kann, das war ja zeitweise auch schon gesperrt wegen Einsturzgefahr, ist jetzt durch eine Holzbalkenkonstruktion provisorisch abgestützt. Aber das hätte nur eine ganz kurze Zwischennotlösung sein dürfen.
Die Notlösungen dauern an und werden auch so schnell nicht ersetzt, sagt Karl Freller von der Stiftung. Der Grund:
Wir sind zu der Auffassung gekommen, wenn wir was machen, dann muss das Ganze in sich stimmig werden und stimmig sein. Da hilft nicht, dass man mal sporadisch was saniert, sondern wir sind jetzt dabei einen kompletten Fünf-Punkte-Plan, der jetzt zur Sanierung der gesamten Anlage führen wird bzw. zur Erweiterung.
Der von ihm vorgestellte Fünf-Punkte-Plan klingt ambitioniert. Die heute noch von der Polizei genutzte ehemalige NS-Kommandantur soll in die Gedenkstätte mit einbezogen werden. Ebenso der sogenannte Kräutergarten. Das wurde schon vor sieben Jahren angekündigt. Der Plan sieht daneben noch die Neugestaltung und erinnerungskulturelle Erschließung der beiden Baracken-Rekonstruktionen. Hier sollen Seminarräume und ein neuer Museumstrakt entstehen.
Gut 80 Millionen Euro veranschlagt die Stiftung für die Generalsanierung des Geländes bis 2033, dem 100. Jahrestag der Errichtung des ersten deutschen Konzentrationslagers. Das Kultusministerium spricht von rund 30 Millionen Euro für die kommenden vier bis fünf Jahre, die aber nicht ohne den Bund zu stemmen seien.
Also ich hoffe, dass ich noch in der Zeit, ich habe noch einige Jahre bis zum Ruhestand, dass ich noch erleben darf, dass hier maßgeblich etwas weitergeht. Es hat immer wieder Zusagen und Aussagen gegeben. Jetzt geht es weiter, jetzt geht es weiter. Es wäre schon schön, wenn es jetzt auch mal weiterginge.
Hofft Historiker Björn Mensing, der Pfarrer an der Versöhnungskirche auf dem Gedenkstätten-Gelände.
Die Projektanträge zur Kofinanzierung der geplanten Neugestaltung der Gedenkstätte liegen derzeit bei Claudia Roth, der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, in Berlin auf dem Tisch. Von dort erwartet der Freistaat jetzt eine Genehmigung.
ENDE