Ein afrikanischer Don Giovanni

Mozart in Afrika, das gab es bislang nur in Südafrika. Und Kairo. Jetzt auch in Kamerun.

Szene aus der Kameruner Erstaufführung von Mozarts Don Giovanni in Yaoundé

Es gibt eine in Mosambik, eine in Mali und mehrere in Südafrika – Musikakademien auf dem afrikanischen Kontinent sind keine Selbstverständlichkeit. In Maputo wurde sie von Schweizern aufgebaut, in Bamako von Einheimischen. Vor genau zwei Jahren wurde auch im zentralafrikanischen Kamerun die Grundlage für ein Musikkonservatorium gelegt. Dort wird seitdem unter Leitung des Kameruner Bariton Vladimir Bizanga Gesangsausbildung, aber auch Klavierunterricht und anderer Instrumentalunterricht angeboten.

Jetzt geht das junge Musikkonservatorium noch einen Schritt weiter und wagt sich an Mozart, an Don Giovanni. Aufgeführt von Künstlern der jungen Musikakademie, unterstützt von der italienischen Accademia di Santa Cecilia Rom und dem italienischen Colosseum Symphony Orchestra.

Genauso muss es vor gut 400 Jahren begonnen haben mit der Kunstform Oper: Kleine Bühne, rund 400 Zuschauer, die durchweg laut tuscheln und lachen und diskutieren über das, was dort so ungewöhnliches auf der Bühne geschieht.

Dass wir jetzt hier sind, diese Chance bekommen, das war immer ein Traum von mir, der jetzt wahr geworden ist.

Sagt Mireille Assena in der Pause, noch etwas atemlos. Sie hätte nie geglaubt, dass ihre Stimme das hergibt. In einem mit traditionellen Kameruner Mustern und Farben designten, wallenden Kleid, steht sie als Donna Anna auf der schmalen Bühne, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, beklagt gestenreich den Tod ihres Vaters, der von Don Giovanni hingemeuchelt wurde. Zeitlupenartigen sinkt der Komtur danieder, die zwei Tunichtgute machen sich unter Gemurmel aus dem Publikum aus dem Staub durch die Zuschauertür raus in die laue Nacht hoch über Kameruns Hauptstadt Yaoundé.

Wohl keiner der Kameruner Zuschauerinnen und Zuschauer wusste, was ihn erwartet. Klassische Musik, das bedeutet hier Makossa, Ekang, Bikutsi. In den Hafenstädten singt man Ngoso begleitet von Instrumenten wie Balafon und Zanza.

Oboe, Trompete, Geige, Cello – davon hören die Kinder an den Schulen. Aber nur wenige können diese für Afrika exotischen Instrumente lernen an dem einzigen Musikkonservatorium Zentralafrikas, der Akademie Sainte Cecilie Yaoundé.

Oper hier aufzuführen macht absolut Sinn, man kann die Handlung wegen der vielen Emotionen und viel Action auf der Bühne sehr gut nachvollziehen.

Ist Maureen Forbah überrascht. Sie gehört zu den wichtigsten Gospelsängerinnen Kameruns, steht auf vielen Bühnen des Landes:

Es gibt so viele talentierte junge Leute, die diese Musik singen können, aber ihnen fehlt einfach ein Raum, ein Ort, wo sie vernünftig üben können. Deshalb ist das eine hervorragende Idee und super Initiative, das wird vielen Leuten helfen.

Auf der Bühne wird derweil das ausladende Festmahl der bäuerlichen Hochzeit aufgebaut, wie es in den Kameruner Dörfern fast jedes Wochenende üblich ist. Der flirtende Don Giovanni, eine geschmeichelte Elvira, ein misstrauischer Massetto, dazwischen sinnt Donna Anna auf Rache – das kennt man hier genauso wie in Deutschland, die Lacher sind den Sängerinnen und Sängern sicher. Dass ausgerechnet Mozarts Don Giovanni ausgewählt wurde, findet Mireille Assena als Donna Anna besonders aktuell. Dieses Jahr gewann sie den Kameruner Gesangswettbewerb Vita Pavarotti, konnte am Wettbewerb Rolando Nicolosi in Italien teilnehmen.

Der Inhalt des Don Giovanni ist für uns in Afrika sehr aktuell. Die Lage der Frauen, der Mann als Macho, der meint, sich nehmen zu können was er will, mit den Frauen zu spielen und nur sein Ego durchzusetzen. Wir wissen, wie es endet.

Mireille Assena als Donna Anna und Vladimir Bizanga als Don Giovanni

Eigentlich arbeitet die Sängerin als Lehrerin in Westkamerun, unterrichtet Französisch und Englisch, der Sänger des Leporello, Sebastien Lobe verdient sein Geld mit Catering und Partyausstattung, der Don Giovanni, gesungen von dem Leiter des jungen Konservatoriums Vladimir Bizanga ist im Alltag Priester.

Mailand, Rom, London, das könnten sie sich alle gut vorstellen. Schwarze Sänger seien noch unterrepräsentiert auf Opernbühnen.

Das Hauptziele ist, die künstlerischen Fähigkeiten der jungen Menschen in Kamerun zu entwickeln und zu stärken und ihnen als Musikern eine Zukunft und Arbeit zu ermöglichen. Die Musikakademie in Yaoundé wäre eine wichtige Maßnahme, die Kreativität, Innovation, Freiheit der jungen Künstler zu fördern. Mit dem Projekt Don Giovanni versuchen wir einen Beitrag zu geben zu einer kulturellen Weiterentwicklung und Internationalität Kameruns.

Kameruns Kirchenoberhaupt Erzbischof Jean Mbarga (links) mit Kameruns Kulturminister Bidoung Mkpatt und dem Hauptinitiator und Botschafter Italiens Filippo Scammacca

Das Italienische Außenministerium habe die Inszenierung unterstützt, um den jungen Kameruner Sängern eine Chance zu geben, ihr Talent zu zeigen, sagt Filippo Scammacca, der Repräsentant Italiens in Yaoundé und Initiator des aufwendigen Projekts.

Was noch im Frühjahr von vielen Seiten als absurde Idee des frisch nach Kamerun berufenen italienischen Botschafters angesehen wurde, zog letztlich sogar die Aufmerksamkeit des Ministeriums für Kultur auf sich:

Das war die erste Oper überhaupt in Kamerun, man kann sie noch öfter aufführen, aber nach und nach, heute war ein Anfang und der war beeindruckend.

So ein Sprecher.

Diese Oper ist wirklich ein aufwendiges Projekt, ein Projekt für die Zukunft, um Künstler und Musikwissenschaftler zusammenzubringen. Es sollte ein Platz dafür gefunden werden, wo talentierte junge Leute gut ausgebildet werden.

Unterstützt Kameruns Kirchenoberhaupt Erzbischof Jean Mbarga mit guten Verbindungen nach Rom, das Musikkonservatorium.

Wir haben hier die Möglichkeit, eine Musikakademie mit aufzubauen, hier in der Mitte Afrikas.

Sagt Mauro Conti, der mit seinen Musikern des Colosseum Symphony Orchestras aus Rom angereist ist. Er verbindet Mozarts Musik mit afrikanischen Istrumenten:

Es gibt hier sehr viele talentierte Musiker, Musikerinnen und Sänger, Sängerinnen, denen noch immer ein eigenes Haus fehlt. Mit der Inszenierung wollen wir ihnen eine Plattform geben und Hilfestellung bei ähnlichen Projekten.

Mauro Conti bei den Proben

Der Don Giovanni bedeutete für uns viele Arbeit. Es ist eines der wichtigsten Werke Mozarts. Unser Ziel ist es, diese Kunstform weiter auszubauen, mehr Jugendliche dafür zu begeistern und auf einem hohen Niveau auszubilden. Jetzt haben wir endlich die Möglichkeit zu zeigen, was möglich ist, was wir können.

So der Gründer des Kameruner Konservatoriums, Vladimir Bizanga. Im Oktober 2020 gründete der studierte Bariton das erste Musikkonservatorium Zentralafrikas. Mozarts Don Giovanni studierten die Sängerinnen und Sänger vor allem online und mit Videos ein, Regisseur Carlo Alberto Gioja:

Ich bin sehr fasziniert von den Sängern und Sängerinnen, wie sie die Rollen einstudiert haben, zum Teil per Video und online, in den vier Tagen Probe hier haben sie unsere Anregungen sofort umgesetzt und wie ein Schwamm aufgesogen.

Kombiniert mit Videosequenzen aus Salzburgs Innenhöfen, viel Kreativität auf der Bühne, einem aus den typischen blauen Stoffen entwickelten Bühnenbild und bunten Kostümen der jungen Kameruner Designerin Jenny Dewuiwo funktioniert Mozarts Don Giovanni auch in Kamerun. „Also stirbt, wer Böses tat.“ Dieser Schluss eines in roten Stoffbahnen untergehenden Don Giovanni gilt auch in Zentralafrika

Mit Regisseur Carlo Gioia (links) und Dirigent Mauro Conti