Alte Meister in Bewegung – Neuhängung der Alten Pinakothek München. Kunstgeschichte neu denken?

Neuhängung der Alten Meister mit blauen Schildern gekennzeichnet

Mit dem Konzept Mix & Match hat die Pinakothek der Moderne in München letztes Jahr für Furore und Kritik gesorgt. Die neue Sammlung wurde komplett neu gehängt, Nazigemälde neben Joseph Beuys. Alte Denkmuster sollen aufgebrochen werden, ist das Ziel der Bayerischen Staatsgemäldesammlung. Ähnliches ist in den vergangenen Wochen auch in der Alten Pinakothek mit den Alten Meistern passiert.

Rembrandt Passionszyklus erstmals in Reihe

„Alte Meister in Bewegung“ heißt das neue Konzept. Und das hat es in sich:

Rund 200 Gemälden der Alten Pinakothek wurde in den letzten Wochen ein neuer Platz zugewiesen. Egal ob Tintoretto, Tiepolo, Dürer oder Rembrandt, sie alle mussten umziehen. Einige der bekanntesten Werke finden sich in Zukunft in einer neuen Nachbarschaft wieder, und das ist genau so beabsichtigt, erklärt Andreas Schumacher, Sammlungsdirektor der Alten Pinakothek.

Angefangen beim berühmten Selbstbildnis Albrecht Dürers, der sich plötzlich nicht mehr im Dürer-Saal, sondern gleich im ersten der 13 umgestalteten Säle neben anderen altdeutschen Portraits seiner Zeit wiederfindet:

Also, es geht nicht darum die Kunstgeschichte ganz neu zu erfinden, aber sich Möglichkeiten zu schaffen, eben auch eine aktuelle, zeitgemäße Kunstgeschichte zu finden und diese auch in einer anderen Form an die heutigen Besucher heranzubringen, dass es attraktiv wird, dass es einladend wird, dass das Auge wieder wach ist für die Qualität dieser Kunstwerke.

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Sakrileg: Die gut 6000 Werke umfassende Wittelsbacher Sammlung der Alten Pinakothek, die in ihren Anfängen bis 1528 auf Herzog Wilhelm IV. zurückgeht und seit 1836 in dem Klenze-Bau auf dem heutigen Kunstareal präsentiert wird, wurde wohl noch nie so neu gewürfelt wie jetzt. Kenner des Hauses sind erstmal irritiert und skeptisch, wenn Dürer neben Bellini hängt:

Wir haben uns eben auch ganz bewusst, so sehr sie vielleicht gegen die bisherigen kunstwissenschaftlichen Regeln der Ordnung nach Schulen, nach Stilen, nach Chronologien, dem erstmal widerspricht, ist es doch eine zeitgemäße Befragung der Werke durch eine aktuelle, zeitgemäße Kunstgeschichte, die wir praktizieren, d.h. wir zeigen zum Beispiel wie ganz selbstverständlich sich die Künstler, unabhängig von den politischen Grenzen, immer ganz europäisch sich ausgetauscht haben, gereist sind.

Man passe sich dem Publikum an, dass heute überwiegend ohne kunsthistorische Vorkenntnisse vor allem beeindruckt werden will, erklärt Schumacher die radikale Neuhängung. Denn egal ob Münchner oder internationales Publikum – die seit dem 19. Jahrhundert etablierte und sakrosankte Klassifizierung von Künstlern in einzelne nationale Schulen und Epochen, kennen heute nur noch Experten, so die Erfahrung des Kunsthistorikers. Es sei Zeit, ähnlich wie derzeit in New York im Metropolitan Museum die Ausstellung New look at old masters zeigt, überlieferte Denkmuster aufzubrechen, Werke in Dialog zueinander zu bringen und neue Zusammenhänge einer europäischen Malerei aufzuzeigen, jenseits der traditionellen, nationalen Schwerpunkte wie deutsche Renaissance oder italienische Renaissance:

Die Renaissance nördlich und südlich der Alpen einmal in den Dialog zu bringen und eben nicht erst in einem weiteren Saal kommt dann Florenz, sondern jetzt ist Florenz bei Nürnberg und München unmittelbar zu sehen, also man hat wirklich diese unmittelbaren Gegenüberstellungen. Damit machen wir ja auch keine chronologisch riesigen Sprünge, aber es sind doch ganz neue Möglichkeiten, die Werke in einem Saal zu erfahren.

Was zuvor in Sonderausstellungen hinterfragt und thematisiert wurde, wie zum Beispiel der Wandel der Portraitmalerei durch die Jahrhunderte, europäische Landschaftsmalerei in unterschiedlichen Epochen oder zuletzt Pastellmalerei, das greift jetzt über auf die Dauerausstellung. Und überzeugt nicht immer.

Um den Überblick über die Neuhängung nicht zu verlieren, sind die „bewegten“ Meister mit dunkelblauen Schildern gekennzeichnet, die Anzahl der in der Ausstellung ansprechbaren Kunstvermittler wurde erhöht. Eine neue App ist in Arbeit.

Man sei sich der Kritik an der fundamentalen Neuerung bewusst, sagt Schuhmacher, auch in seiner Funktion als Stellvertreter des Generaldirektors der Bayerischen Staatsgemäldesammlung. Man werde aber definitiv nicht mehr zur bisherigen Hängung zurückkehren, sondern sie in dem neuen Konzept weiterentwickeln.

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