Stiftungshäuser und Wohnen in Eigenverantwortung –

Münchner Initiativen zum Erhalt von bezahlbarem Wohnraum

Es gibt bezahlbaren Wohnraum in München, den nicht nur Mieter, sondern auch Hausbesitzer erhalten wollen. Doch die Steuergesetzgebung hindert sie daran. Also werden neue Wege gesucht, der Preisspirale zu entkommen. Von Stiftungen und Mietern.

Aus der Dlf Audiothek | Deutschland heute | Immobilienmarkt München – Sozial verträgliche Eigentumsmodelle
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Die Flyer und professionellen Postkarten sind noch druckfrisch, wie sie da auf dem Küchentisch von Katrin Göbel liegen. Neben ihr sitzen Andreas von einem Stockwerk tiefer und Wolfgang, einer der Ältesten im Haus. Derzeit verteilen sie überall im Viertel diese Flyer zu www.woerth8.de, die eine Mitbewohnerin entworfen und produziert hat.

Der Grund für die Aktion: Vor ein paar Monaten entdeckten sie plötzlich ihr bislang sehr günstiges Mietshaus inseriert auf einem Online-Immobilienportal – zum Verkauf:

Und dann haben wir uns überlegt: Was passiert jetzt, werden wir entmietet, Mieterhöhung? Sanierung?

Beschreibt Andreas Ebert den Schock und die Angst vor einem Wohnungsverlust oder rasant steigenden Mieten. Denn dieses Vorgehen ist nach einem Eigentümerwechsel die Normalität in München. Ihr Glück: Das Inserat über 6,5 Millionen Euro betraf nur das halbe Haus, nur einer der Hausbesitzer wollte verkaufen, ein schlechtes Geschäft. Deshalb die Überlegung der Mieter:

Dass man selber die Initiative übernimmt und nicht nur ein Mieter ist, der bequem da sitzt, sondern Verantwortung übernimmt, dass ist uns ganz wichtig, die andere Perspektive einzunehmen.

Gemeinsam mit dem Hausbesitzerduo entschieden die Mieterinnen und Mieter, das Gebäude komplett als Mietergemeinschaft zu übernehmen – mit einer eigenen HausGmbH als neuer Vermieterin und einem eigenen Hausverein als Träger. Eine sozial engagierte Stiftung will das Grundstück übernehmen und der Haus GmbH zur Erbpacht überlassen. Damit wäre die Millionenimmobilie weg vom Markt, es bliebe bezahlbarer Wohnraum erhalten, der nicht mehr der Münchner Mietpreisspirale unterliegt, hoffen die Initiatoren:

Wir bleiben Mieter, aber wir übernehmen die ganze Bewirtschaftung und auch Renovierung, Sanierung sind wir auch zuständig dann, also es ändert sich dann für uns einiges, und auch die Mieten müssen etwas angehoben werden, um die Finanzierung zu stemmen.

Mittels crowdfunding soll die Mietergemeinschaft jetzt drei Millionen Euro zusammensammeln, der Rest müsste über Banken kommen, ab 1000 Euro Direktkreditsumme kann jeder mithelfen, erklärt Mitbewohner Wolfgang Heidelmeyer:

Ich finde das eine super Idee, ich denke, das Haus kaufen wir ja nicht, sondern das Haus kauft eben die GmbH und der Verein, und was ich spannend finde ist, dass wir die Gesellschaft brauchen, die uns helfen muss und uns unterstützen muss, damit wir das finanzieren können.

Seit 34 Jahren wohnt die Endvierzigerin Katrin Göbel in dem denkmalgeschützten Haus der Wörthstrasse 8, betreibt einen Laden im Erdgeschoss des über 100 Jahr alten, gutbürgerlichen Hauses. 13 Wohnungen, vier Etagen, 28 Mietrinnen und Mieter, vom Baby bis zur Rentnerin. Mitten in Haidhausen, einem der teuren Wohnviertel Münchens, in dem die Mietpreise leicht bei 20 Euro der Quadratmeter Kaltmiete liegen. Im Haus Wörthstrasse 8 liegen sie bei 9 Euro, das wird sich auf rund 12 Euro ändern müssen, aber das werde man hinbekommen, so Göbel:

Eigentlich streben wir ein solidarisches Mietmodell an, dass wir sagen: Diejenigen, die mehr zahlen könnten, zahlen mehr und die, die nicht so viel zahlen können, zahlen, was sie können. Da sind wir noch am diskutieren und debattieren, ich denke aber, dass wir es hinbekommen werden, es soll aber keiner das Haus verlassen müssen durch unser Projekt.

Der Generationenwechsel betrifft immer mehr Münchner Hausbesitzerinnen und -besitzer. Wer nicht rechtzeitig seine Immobilie an die Erben überschrieben hat oder keine Erben hat, muss verkaufen, meist an international agierende Immobilienfirmen. Das Vorkaufsrecht der Kommunen gibt es nicht mehr. Bezahlbaren Wohnraum können dann nur Mietergemeinschaften als Eigentümer wie die Wörthstrasse 8 oder Stiftungen und Genossenschaften garantieren, wie die neue Münchner Stiftung „Daheim im Viertel“, gegründet von einem Zuschammenschluss von 35 Münchner Wohngenossenschaften.

Auch die Stadt München hat das Problem erkannt und will eine Beratungsstelle für Immobilienbesitzer schaffen, wie sie ihre Mietshäuser sozial verträglich weitergeben können.

Das Modell der Stiftungen (zum Beispiel Daheim im Viertel) sei tatsächlich eine gute Initiative bestätigt die Vorsitzende des Münchner Mietervereins Beatrix Zurek, die derzeit ohne großen Erfolg einen Mietenstopp für die bayerische Landeshauptstadt erreichen will:

Eine Stiftung hat ja den großen Vorteil, dass, wenn sie erstellt wird, dass aus den Urkunden und den Niederschriften, die es dazu gibt, dann ja klar ist, was der Stiftungszweck ist. Und deswegen sind diejenigen, die in der Stiftung tätig sind, entsprechend gebunden, deswegen finden wir eine Lösung über eine Stiftung sehr gut, weil sie ein weiterer Baustein ist, um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten.

ENDE