Sprachrohr gegen die Krise seiner Heimat Südwestkamerun – Portrait des Sängers Mr. Leo

Seit über sechs Jahren herrscht in den englischsprachigen Gebieten von Kamerun Ausnahmezustand. Mitten in diesem Gebiet, in der Stadt Buea, lebten und arbeiteten früher die meisten Musiker und Musikerinnen Kameruns in ihren Musikstudios, viele KünstlerInnen stammen von dort, so wie Fonyuy Nsobunrika Leonard, kurz Mr. Leo. In seinen Liedern und Videos steht noch immer die andauernde Krise im Mittelpunkt. Jetzt hat er die neue Single „Omale“ veröffentlicht.

Sounds aus Südwest-Kamerun: Der Musiker Mr. Leo | deutschlandfunkkultur.de

Musik “Omale” (Video released 13.1.23)

Acht Köpfe, bis zum Hals im Wasser. Nur einer schaut direkt in die Kamera – Mr Leo. Das Wasser steht den Sängerinnen und Sängern seit gut sechs Jahren bis zum Hals, aber wohl keiner kann das im zentralafrikanischen Kamerun so drastisch und trotzdem poetisch in Worte und Bilder fassen wie der 32 jährige Fonyuy Leonard Nsobunrika. Sein neuestes Video „Omale“, gesungen in Lamnso, der Sprache seines Volkes – der Nso. Das ist sein Markenzeichen. Das war nicht immer so.

Es ging mir immer darum, die aktuelle Situation in Kamerun zu beschreiben, das, was um mich herum passiert, aber in meinem neuen Album wende ich mich direkt an die Jugendlichen Afrikas… Ich will der Jugend Afrikas sagen, dass es Zeit ist, aufzuwachen, Verantwortung zu übernehmen und selbst aktiv zu werden, um voranzukommen und nicht auf andere zu warten.

Der Kameruner Sänger floh 2019 mit 29 Jahren wie die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen aus seiner Heimat Südwestkamerun und war erst einmal sprachlos. Eigentlich war Mr. Leo mit Beginn seiner Karriere 2014 für seine Liebenslieder und romantischen Afropopsogs bekannt. Ohne politische Mission, ohne Botschaft. Wurde für den Afrima Award nominiert, erhielt mehrfach nationale Preise, trat mit anderen afrikanischen Sängern auf. Dann der Bruch, das neue Musikstudio in Douala, der Hafenmetropole Kameruns, rund eine Stunde entfernt von seinem Heimatort. Dann fing er wieder an zu schreiben. Und dieses Mal anders:

Musik “Viberi

Ich war lange dieser Love guy, der über Liebe redet, Liebe zwischen Mann und Frau, Liebe zwischen Eltern und Kindern, es ging eher um positive Vibes. Dann habe ich gemerkt, es geht um mehr, es geht um ein Bewusstsein für die eigenen Wurzeln, also hatte ich mich entschlossen, die Musik zu spielen, von der wir kommen. Also änderten wir die Art zum Beispiel des Schlagzeugs, der Percussion, wie sie zum Beispiel in Dschang, einer Stadt im Südwesten gespielt wird, das war die Idee hinter dem letzten Album.

Sänger sei nicht von Anfang an seine Berufung gewesen, sagt Mr. Leo. Mit 16 Jahren 2007 ging er zum Spaß in den Schulchor, mehr ein Witz unter Jugendlichen als wirklich Begeisterung. Die kam später, als er Kontakt zu dem 3 Jahre älteren Sänger Salatiel bekam, wie Mr. Leo stammt auch Salatiel aus dem englischsprachigen Südwesten Kameruns, aus Buea, einer früheren deutschen Kolonialresidenz mit entsprechendem Selbstbewusstsein.

Musik „E Go Betta“

Bei Salatiels Label Alpha-Better-Records veröffentlichte er 2014 seine Debütsingle „E Go Betta“, seitdem tönt Mr. Leo aus den Kopfhörern der jungen Generation. Er hat zu einem neuen Selbstbewusstsein der Jugend Kameruns beigetragen und auch dazu, dass amerikanische Popmusik immer mehr von Kameruner lokalen Sing- und Songwritern verdrängt wird.

Geprägt von der Krise in seiner Heimat Norwestkamerun, stellte sein 2021 veröffentlichtes Album „Lion of Africa“ einmal mehr die Frage nach der eigenen Identität, bewusst im vorkolonialen Dialekt gesungen, auf Videoclips zeigt sich Mr. Leo in der traditionellen Kleidung seiner Region. Das kommt an bei den Jugendlichen, die sich unterdrückt fühlen von der französischsprachigen Zentralregierung in der weit entfernten Hauptstadt. Und sich im schlimmsten Falle radikalisieren:

Musik “AmenMr Leo – Amen (Official Video) – YouTube

Drastische Bilder, drastische Songs. Mr. Leo ist sich nicht zu schade, in die Rolle des blutüberströmten Opfers zu schlüpfen, 2019 im Song „Amen“, ein Text über die Gewaltspirale zwischen aufgeheizten Menschengruppen in den Krisengebieten, alle Opfer einer Sprachlosigkeit, aufgerieben durch die ständigen Übergriffe zwischen Regierungstruppen und Rebellen.

Was mich antreibt betrifft jeden. Ich sage es als Afrikaner, meine Songs und Stories stammen von hier, ja, aber wenn ich über empowerment spreche, über Selbstbestimmung und Autonomie, das hat das nichts mit Herkunft, Hautfarbe zu tun. Das erste, was ich mache, ist, meine Leute, die Afrikaner zu mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zu ermutigen und meinen Nachbarn zu sagen: Bevor Du jemand anders sein willst oder Deine Heimat verlässt, wache auf aus Deinem Schlaf und sage auch allen anderen, dass sie aufwachen sollen. Aber diese Mission ist natürlich nicht auf uns beschränkt, sondern meint jeden in Afrika.

Sein neuestes Projekt deshalb: Die Lionn Academy. Drei Monate praktische Einblicke für junge Künstler und Künstlerinnen in den Musikeralltag und die globale Musikindustrie. Der nächsten Generation das weitergeben, was er sich hart erarbeiten musste, ohne Hilfe. Dafür lädt er zum Erstaunen der Musikszene auch Sänger aus Nigeria ein, Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.

Musik “Hypnose” feat. Djanna Pacha

ENDE