Wo Kohlendioxid verklappt wird

Climeworks und Carbfix auf Island im Kampf gegen Klimaerwärmung (Sendung DLF 5. Januar 2023)

Projekt ORCA östlich von Reykjavik Dezember 2022

Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen soll dabei helfen, die Erderwärmung zu verlangsamen. Vor allem die Reduzierung des CO2-Ausstoßes gehört dazu. Oder man entzieht der Luft Kohlendioxid, wie es die größte Anlage der Welt auf Island seit einem Jahr versucht. Carbon Capture heißt der Vorgang. Rund 4000 Tonnen CO2 pro Jahr entzieht die Pilotanlage der schweizer Firma Climeworks der Luft, isoliert das Kohlendioxid und presst es 1500 Meter tief in die Erde. Jetzt wird trotz einiger Probleme die zweite Direct Air-Capture-Anlage gebaut, die die Leistung fast verzehnfachen soll.

CCS-Vorbild: Verzehnfachung von Islands CO2-Verpressung
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Der Lärm der rotierenden Ventilatoren der Orca-Anlage südwestlich von Islands Hauptstadt Reykjavik ist bereits in einiger Entfernung zu hören. Dick eingemummt arbeiten Techniker an der unter dem arktischen Wetter leidenden Anlage. Die Kollektoren müssen winterfest gemacht werden, erklärt Bryndis Nielsen, Sprecherin des Betreibers climeworks:

Wir haben hier extreme Wetterbedingungen, extreme Windgeschwindigkeiten, abrupte Wechsel zwischen warmen und eiskalten Stürmen, das stresst die Anlage wie alle Gebäude auf Island… deshalb hatten wir Probleme mit eingefrorener Mechanik.

In der Nacht fielen die Temperaturen auf -7 Grad, tagsüber strahlt die Sonne von einem eisblauen Himmel, gefolgt von orkanartigen Schnee- und Hagelstürmen, eine Herausforderung für die bislang weltweit größte Direct Aircapture-Anlage. Daraus habe man viel gelernt in dem einen Jahr für das nächste Projekt, so Nielsen mit Blick auf die bisherige, zweistöckige Pilotanlage mit den acht Modulen, die vor gut einem Jahr in Anwesenheit von Islands Premierministerin eröffnet wurde.

Der Plan ist jetzt, die Leistung so schnell wie möglich drastisch zu erhöhen, jedes Jahr um das Zehnfache, nach Orca kommt jetzt Mammoth. Wir hoffen zum Ende der 2020er Jahre 1 Million Tonnen CO2 verklappen zu können und dann eine Milliarde Kohlendioxid bis 2050.

Neubau des Nachfolgers Mammoth

Ein ambitioniertes Vorhaben. Denn das Pilotprojekt bleibt noch hinter den Erwartungen zurück, die angepeilten 4000 Tonnen CO2-Verklappung jährlich wurden noch nicht erreicht, damit rechnet man in rund zwei Jahren. Trotzdem wird zügig erweitert, sagt Carlos Härtel, der Cheftechniker von climeworks aus Zürich. Der Grund:

Was wir sehen müssen ist, dass die Kostenkurve runterkommt, und je größer sie bauen, umso günstiger wird es auch spezifisch. Das hat ja einfach Industrialisierungsdimensionen.

Und climeworks hat viel vor: Der Nachfolgebau Mammoth in rund 300 Metern Entfernung wird auf drei Stockwerken mit 72 Modulen gut 36000 Tonnen Kohlendioxid aus der Luft filtern und dafür die fast zehnfache Menge an Energie von dem benachbarten Geothermal-Kraftwerk Hellisheithi beziehen. Eine nächste, dritte Anlage wird angepeilt. Ohne Strom aus erneuerbaren Energien aber wäre die massive Erweiterung nicht denkbar. Was die schweizer Firmen bei der Suche nach weiteren potentiellen Standorten für ihre Anlagen auch in ganz andere, sonnenreiche Regionen schauen lässt, um das Ziel, eine Milliarde CO2 im Jahr 2050 abzuscheiden, zu erreichen. Direct-Aircapture-Technologie funktioniere nicht nur am Polarkreis, sondern auch in Wüstenregionen wie im Oman, wo eine weitere climeworks-Anlage entsteht, so Härtel:

Man wird nicht an einem Standort beliebig wachsen können, irgendwann kommt man an Grenzen Ich gehe davon aus, dass wir ein Netzwerk von Anlagen weltweit haben werden, die größten bei einer Dimension von einer Million Tonnen, die kleinen dann bei mehreren hunderttausend. Das Ziel muss sein: Nehmen Sie als Hausnummer eine Milliarde Tonnen Abscheidung pro Jahr in 2050, dann wissen wir, wie schnell die Hochskalierung passieren muss.

95 Prozent des auf Island in die Erde gepressten Kohlendioxids mineralisiere in kurzer Zeit, haben Messungen ergeben, die CO2-Konzentration in der Luft nehme messbar ab. Die CO2-Verklappung berge kein Risiko für die Umwelt, das Grundwasser oder die Erde. Die mehreren kleinen Erdbeben seien in der Region mit vulkanischen Aktivitäten erwartbar gewesen. Das poröse Basaltgestein rund um die Anlage könne noch viel mehr Kohlendioxid aufnehmen, sagt Ólafur Teitur Guðnason, Sprecher des isländischen climeworks-Partner carbfix, der seit zehn Jahren auf Island Kohlendioxid in die Erde presst.

Bei Hellisheithi pressen wir das mit Kohlendioxid angereicherte Wasser in rund 2000 Meter Tiefe, dabei verwenden wir das warme Wasser, das für das Geothermal-Kraftwerk aus der Tiefe geholt wurde und sowieso laut Gesetz wieder zurückgepumpt werden muss. Die Aufnahmefähigkeit des Bodens ist enorm. Theoretisch könnte Island das komplette überschüssige Kohlendioxid verklappen, das es auf der Erde gibt.

Die in den vergangenen Jahren gewonnenen Kenntnisse in Carbon storage CCS nutzt Island jetzt zum Aufbau eines neuen Wirtschaftszweigs, jenseits der Direct-aircapture-Technologie von climeworks. Mit Unterstützung der EU wird derzeit ein spezieller Hafen für den Import von Kohlendioxid gebaut (Coda-Terminal Straumsvík). Ausländische Firmen können in Zukunft ihre CO2-Emissionen nach Island bringen und dort im Boden verschwinden lassen.