Noch sind die Bayreuther Festspiele einige Monate hin, doch schon jetzt sorgen sie für Aufregung. Die diesjährige Neuinszenierung des Parsifal soll als 3D-Aufführung über die Bühne gehen, ein Novum für den Grünen Hügel. Doch nur für einen Bruchteil der Zuschauer sind die notwendigen Brillen verfügbar. Aus finanziellen Gründen oder aus künstlerischen?
Wohl keine Wagner-Oper ist für eine 3D-Inszenierung so prädestiniert wie der Parsifal, der „eine entrückende Wirkung auf das Gemüt“ ausüben sollte, laut Wagner. 1882, dem Jahr der Uraufführung seiner letzten Oper, war 3D-Technik nicht vorstellbar, schon gar nicht im Bayreuther Festspielhaus. Heute, gut 140 Jahre später, haben schon etliche Opernbühnen den optischen Raumeindruck mit mehr oder weniger Erfolg auf die Bühne gebracht. 2011 verteilte die Münchner Staatsoper 3D-Brillen für die Turandot-Aufführung des Katalanen Carlus Padrissa, am Theater Augsburg konnte das Publikum 2020 per VR-Brille in die Unterwelten des Orpheus abtauchen. Die Carmen von Francesca Zambello des Royal Opera House London ist seit 2011 als 3D-Fassung auf DVD erhältlich.
Kein Wunder, dass Bayreuths Festspielchefin Katharina Wagner 2021 begeistert auf den Vorschlag des ausgewiesenen Gaming-Fans und Debütregisseurs Jay Scheib, reagierte, seinen Parsifal 2023 in 3D zu zeigen. Und auch die Geldgeber wie die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth stehen dem Vorhaben und Innovationen am Grünen Hügel – gemäß Wagners Forderung „Kinder schafft Neues“ – wohlwollend gegenüber, betont Georg Freiherr von Waldenfels als Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde Bayreuths:
Diese Vorstellung ist sicher interessant. Das ist ein von Katharina Wagner vorgetragenes Projekt, das auch diesen Werkstattcharakter von Bayreuth etwas darstellt.
«Das wäre richtig toll, ein ganzes Publikum mit Brillen, oder?» äußerte sich Regisseur Jay Scheib vor zwei Jahren. Man habe Großes mit dem 53 Jährigen vor, deutete Festspielleiterin Wagner an. “Die ganze Welt spricht von Digitalisierung.” Auch darum soll es auf dem Grünen Hügel “das erste Mal eine komplette Inszenierung in Augmented Reality geben”.
Mittlerweile ist die Euphorie ganz praktischen Problemen gewichen. Nur wenige der Zuschauer werden tatsächlich in den Genuss der geplanten 3D-Inszenierung kommen. Knapp 2000 Plätze bietet das Festspielhaus, 330 Augmented-Reality-Brillen sollen angeschafft werden. Das sei kein Problem, so von Waldenfels:
Die Zahl ist jetzt so entwickelt worden, auch mit denen, die diese Brillen anbieten. Das muss ja auch technisch alles gut abrufbar sein, und die sind auch finanziert. Es ist also keine finanzielle Frage, sondern dass ist auch so von der künstlerischen Leitung so als Start gesehen wird.
Rund 26,8 Millionen Euro stehen den Festspielen dieses Jahr zur Verfügung, 3,4 Millionen davon steuern die Freunde Bayreuths bei. Den Parsifal für alle Zuschauer und nicht nur ein Sechstel, erlebbar zu machen, also rund 2000 Brillen anzuschaffen, darüber könne man reden, das sei aber letztlich eine Entscheidung der künstlerischen Leitung. Dafür müsste an anderer Stelle gekürzt werden, so von Waldenfels:
Also es wird kein zusätzliches Geld geben, denn wie in vielen anderen kulturellen Einrichtungen auch, wir haben den Rotstift, in Bund und Land und überall. Und die künstlerische Leitung, Katharina Wagner, hat dann die Möglichkeit, in diesem Rahmen das Projekt so oder so zu gestalten.
Dass die geplante 3D-Inszenierung des Parsifal praktisch aber sowieso nicht alle sehen könnten, ob mit oder ohne 3D-Brille, liegt auch am Festspielhaus. Wie Experten mittlerweile herausgefunden haben, dürfte das neue Seherlebnis nur auf den mittleren Plätzen möglich sein, der geschwungene Zuschauersaal aus dem 19 .Jahrhundert ist für virtual reality nicht optimal. Das wurde damals beim Bau noch nicht mit berücksichtigt.
Wie Debütregisseur Jay Scheib das Dilemma lösen wird und wer eine 3D-Vorstellung im Zweifelsfall ohne 3D schauen will? Sicher ist: Auch der wenig schlüssige neue Ring von Valentin Schwarz sorgt für Bedenken bei den Geldgebern, wie sich die Ticketverkäufe generell in Bayreuth 2023 entwickeln werden.