Kontroverse: Erbschaftssteuer oder bezahlbarer Wohnraum

Der Kampf des fairen Vermieters Wolfi Fischer gegen Immobilienspekulation

Mit viel Medienöffentlichkeit wurde Mitte Oktober in Berlin das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum geschlossen. 400 000 neue Wohnungen sollen dadurch pro Jahr entstehen. Doch es gibt eigentlich bezahlbaren Wohnraum und würde mehr davon geben, wenn viele Vermieter nicht vom Finanzamt gezwungen würden, hohe Mieten zu nehmen. Und ihre Häuser zu verkaufen, weil Erbschaftssteuer unbezahlbar geworden ist. Ein Kampf gegen Immobilienspekulation und Mietwucher in München.

Bericht im DLF Deutschland Heute Okt. 2022

Wieder stehen wir zusammen in diesem Garten. Nach fünf Jahren. Vor uns das Gartenhaus mit den Igeln, hinter uns das umkämpfte denkmalgeschützte Haus an der vielbefahrenen Straße im Stadtteil Nymphenburg, einem der teuersten in München. Wir reden über bezahlbare Mieten und dass das fast nicht mehr möglich ist.

Es ist ein solcher Canossagang, etwas fair an jemanden zu geben, der es auch so weitermacht.

Wolfgang Fischer vor seinem Hinterhaus

Wolfgang Fischer, mittlerweile 81 Jahre alt, will einfach nur, dass die Wohnungen in seinem Elternhaus bezahlbar bleiben für seine Mieter und das auch nach seinem Tod. Mehr nicht. Dafür kämpfte er bereits vor fünf Jahren. Er will sein Haus nicht für 16 Millionen Euro verkaufen, das es wert sein soll. Er will es nach seinem Tod als Vermächtnis für zwei Millionen Euro weitergeben, damit seine Frau versorgt ist und die Erben. Aber wie er es auch dreht und wendet, es geht nicht. Der Grund: Schenkungssteuer und Erbschaftssteuer:

Bei dem Verkauf selber, wenn ich da 16 Millionen bekomme, das kann mir ausbezahlt werden, da hätte ich keinerlei Schwierigkeiten, null. Wenn ich es aber hergeben will für zwei Millionen habe ich die größten Schwierigkeiten.

Denn das verstünde das Finanzamt als Schenkung und die unterliegt der Schenkungssteuer von bis zu 30 Prozent, also knapp 4 Millionen Euro Steuerlast für den nachfolgenden Besitzer.

Auch eine vorzeitige Übertragung an seine Frau bringt nichts, da sie einen Millionenbetrag an Steuern zahlen müsste, minus Freibetrag:

Solche Häuser wie das hier fallen an Investoren, weil keiner das nicht erwirtschaften kann. Wenn man sich vorstellt vier Millionen Erbschaftssteuer, also jetzt sind es wahrscheinlich schon fünf für meine Frau und die Nichten und Neffen. Bissl was über 50 000 Euro habe ich Einnahmen, wenn ich die Hälfte davon nehme, also 20 000 im Jahr zum Abbezahlen, dann rechnen Sie mal aus wo ich bei vier Millionen bin. Das geht doch nicht.

Vor fünf Jahren schien alles geregelt: Sein Haus sollte nach seinem Tod an die Münchner Wohngenossenschaft wogeno gehen, die günstigen Mieten und Übernahme der Mietparteien als Auflage. Aber sein Haus und Grundstück sind jetzt drei Millionen Euro mehr wert als damals. Die Kosten für eine Übernahme zu hoch.

OT 1-6: Die Wohngenossenschaft hat also zu mir gesagt, ja Herr Fischer, jetzt wo die Hypothekenzinsen steigen, werden wir eventuell von der Vereinbarung zurücktreten werden, weil uns das zu teuer wird, weil mit den billigen Mieten, die Sie hier haben…

Einer der Mieter, der als Schreiner in der kleinen Hinterhof-Werkstatt arbeitet, macht sich Sorgen, wie es weitergehen soll:

OT 15: Das ist ein Paradies hier, aber ich habe in Schwabing gesehen, wo ich aufgewachsen bin, dass da alle Hinterhöfe abgerissen werden und verdichtet, zugebaut, solche Paradiese plattgemacht werden und dann, ja super. Damit dann eine Million, zwei Millionen, noch eine Etage höher, umso teuriger, ach, krank ist das, krank.

Beim Mieterverein München kennt man die Problematik. Laut Statistik werden innerhalb von zehn Jahren bis 2024 deutschlandweit schätzungsweise etwa 4,34 Millionen Immobilien generationenübergreifend vererbt. Davon etliche private Mietshäuser in München. Ab 300 Wohnungen im Eigenbesitz aufwärts liegt die Erbschaftssteuer bei null, aber nicht bei vier oder fünf Wohnungen. So wird bezahlbarer Wohnraum vernichtet, ganz legal.

Geschäftsführerin Angela Lutz-Plank:

OT Wir plädieren dafür, dass gerade Vermieter, die soziale Mieten verlangen, eventuell Steuervergünstigungen bekommen, insbesondere vor dem Hintergrund, wenn sie sich verpflichten, über einen längeren Zeitraum soziale Mieten zu verlangen, dass sie eben dann von der Erbschaftssteuer oder eben Schenkungssteuer vergünstigte Steuersätze bekommen, wie es eben derzeit leider nicht der Fall ist.

OT Friedl 1/3/5: Wir wollen gerade die Eigentümer von ein, zwei, drei oder vier Wohnungen, also Mehrfamilienhäusern, dass die ihre Objekte günstiger vermieten können und nicht gezwungen werden, das zu verkaufen.

Passend zu den Landtagswahlen kommendes Jahr haben die Freien Wähler, Koalitionspartner der CSU, das Thema für sich entdeckt: Abschaffung der Erbschaftssteuer wie im nahen Österreich. Oder zumindest eine Reform für sozial eingestellte Immobilienbesitzer. Der baupolitische Sprecher der Freien Wähler, Hans Friedl bereitet die Kampagne vor:

Wir können uns auch vorstellen, dass es eine Mindesthaltefrist gibt wie bei Betriebsübergaben. Bei Betriebsübergaben wird ja die Schenkungssteuer auch sukzessive abgebaut innerhalb der Zehnjahresfrist.

Die ganze Hoffnung von Wolfgang Fischer liegt jetzt auf einer letzten Lösung: Eine Stiftung.

Die Stiftung „Daheim im Viertel“, frisch gegründet von mehreren Münchner Wohnungsbaugenossenschaften, soll einspringen und das Haus im Todesfall übernehmen. Für zwei Millionen. Damit wäre die Ehefrau abgesichert, seine Mietparteien und bezahlbare Mieten, das denkmalgeschützte Haus, der Garten und das pittoreske Gartenhaus. Das soll funktionieren. Wird ihm beteuert.

OT 4-2: Und damit kann ich leben. Vielmehr: Damit kann ich sterben.

Vorderhaus und Hinterhausidylle im Münchner Stadtzentrum

ENDE